Peter Matussek

Medienästhetik der Schrift

8. Verschriftung und Verschriftlichung im Mittelalter

8.2 Frühes Mittelalter: Monastische Verschriftung

Mit der Christianisierung des weströmischen Reichs um 500, die den Beginn des Mittelalters markiert, verlagert sich der Fokus des Schriftgebrauchs auf religiöse Themen. Die fast ausschließlichen Produktionsstätten von Manuskripten (von lat. manus = die Hand und skriptum = die Schrift) waren nun die Klöster.

Das monastische Lesen, das bis etwa zum 11. Jahrhundert vorherrschte, war ein Lesen in Gemeinschaft, bei dem der Text leise murmelnd mitgesprochen wurde. Stilles Lesen, so wie wir es kennen, gab es zwar schon seit der Antike, galt aber als ungewöhnlich.

Wie untypisch das leise lesen war: vgl. Augustinus über Ambrosius (Buch 6, Kap. 3). vgl. Illich: Erstaunen darüber, dass jemand lesen kann, ohne die Lippen zu bewegen...

Die Klosterhandschriften sind also noch keine "Verschriftlichungen" in dem Sinne, dass sich spezifische Schriftmerkmale herausbilden, sondern lediglich "Verschriftungen" im Sinne von Partituren, die sich an den Merkmalen der Mündlichkeit orientieren. 

Durch das Mitsprechen des Textes im Kreis der Klosterbrüder entstand das Erlebnis gemeinschaftlicher Andacht.

Die Abb. zeigt den bedeutendsten Lese-Lehrer des Mittelalters, Hugo von St. Viktor, der diese Praxis in seinem Didascalicon de studio legendi reflektierte und den Ãœbergang zu einer anderen Art des Lesens empfahl: dem Studium der Heiligen Schrift in der Einsamkeit der Klosterzelle.

8.2 Frühes Mittelalter: Monastik写作
SprechblaseSprechblase