Peter Matussek

Medienästhetik der Schrift

8. Verschriftung und Verschriftlichung im Mittelalter

8.2.5 Die karolingische Reform

Alkuin-Bibel (825/830)
Karolingische Minuskel – Quelle: https://upload.wikimedia.org/wikipedia/commons/7/70/Caroline_2.jpg

 

 

8.2.5 Die karolingische Reform

Mit dem Ende der Völkerwanderung zerfällt das Römische Reich. Dies brachte eine Schwächung des Lateinischen mit sich, auch wenn es überregionales Verständigungsmittel blieb. Es kommt zu einer Koexistenz diverser Regionalschriften. Dieser Hintergrund motiviert die "karolingische Reform", benannt nach Karl dem Großen (768-814), der 800 das erste Kaiserreich in Europa begründete.

Karl benötigte eine gut ausgebildete und verlässliche Führungsschicht. Deshalb sorgte er für einen verbesserten Gebrauch der lateinischen Sprache und eine Vereinheitlichung der Schrift. Der angelsächsische Abt Alkuin (Alchwine, um 735-804) leitete die Schriftreform ein. Im Scriptorium von Tours entstanden neben 40 Bibeln bzw. Bibelteilen Mitte des 9. Jh. auch Bücher zur Grammatik, zur Geschichte und Philosophie. Auch eine Grammatik des Deutschen war von Karl geplant. Damit wollte er seine Sprache zum Träger einer einheitlichen Laienkultur machen, die Staatsverfassung und Recht, Geschäftsverkehr und Gesellschaftsformen neu ordnete. (So gehen z.B. die Namen der Himmelsrichtungen auf ihn zurück). Im Zentrum und im Osten des Reiches wurde Deutsch (theodisce) die Volks- und Verwaltungssprache, im Unterschied zur amtlichen Kirchensprache, dem latine.

Von den germanischen Heldenliedern, die er aus der Mündlichkeit in die Schriftlichkeit übertragen wollte, ist nur das Hildebrandtlied überliefert (vgl. "Typo im Wandel")

Bis in das Schriftbild und die Typographie wirkt sich die karolingische Reform aus. So ist die karolingische Minuskel (Bsp. BvB57) nach ihr benannt: eine aus der Halbunziale abgeleitete, klar lesbare, regelmäßige Schrift aus Kleinbuchstaben, mit deutlichen Worttrennungen und wenigen Ligaturen. Sie findet auch in die Kanzleien Eingang und hebt damit die Trennung von Buchschrift und Gebrauchsschrift auf. Sie steht am Beginn der modernen Schriftentwicklung und bleibt über vier Jahrhunderte lang in Gebrauch.

Das Abbildungsbeispiel aus der Alkuin-Bibel (825/830) enthält eine verzierte römische Majuskel als Initiale, die Capitalis quadrata/rustica für den Seitentitel, Unzialschrift für die Eingangszeilen und die karolingische Minuskel für den Haupttext.

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