Die Entstehung einer literalen Öffentlichkeit wurde zunächst dadurch begünstigt, dass die Reformation Martin Luthers das Schriftprinzip zum zentralen Grundsatz erhob. Damit war aber nicht gemeint, dass man sich an den Wortlaut klammern sollte. Gegenüber den schon vor ihm unternommenen Bibelübertragungen ins Deutsche beruhte Luthers revolutionäre Leistung darauf, dass er "nit Wort vß wort, sunder sin uß sin" übersetzte (Füssel 2012, S. 34).
Neben der Bibelübersetzung, die bis 1569 rund 800.000 mal verkauft wurde, verfasste Luther weitere 32 Schriften, sogenannte "Flugschriften", die dank der neuen Technologie weite Verbreitung fanden. Schon 1546 erreichte die Gesamtauflage Luthers 3,1 Millionen, was einem Viertel der Jahresproduktion an deutschen Druckschriften entsprach.
Insgesamt stieg der Anteil der volkssprachlichen Schriften gegenüber den lateinischen auf über 40 Prozent. So wurde die Reformation einerseits durch die Drucktechnik begünstigt, andererseits begünstigte sie ihrerseits die Drucktechnik, da ihre Propagierung des Schriftprinzips die Nachfrage erhöhte. Insofern ist auch für diese Epoche der Schriftgeschichte der Intertextualitätstyp der Hypolepse charakteristisch (vgl. 7.4.5).