Peter Matussek

Historische Anthropologie der Animationstechnik

5. Ursprünge der Animationstechnik

5.0 Kultische Ursprünge der Animationstechnik

Animationstechniken sind so alt wie die Menschheit. Als sich das menschliche Bewusstsein über das des Affen erhob, sah es seine Umwelt nicht als unbeseelte Materie, sondern als Durchdrungen von Lebendigkeit. Dies dürfte auf sein tierisches Erbe zurückgehen, denn – wie wir z.B. an Katzen beobachten können, die mit einem Wollknäuel spielen – die Unterscheidung in lebendig und unlebendig ist dem tierischen Bewusstsein fremd.

Nach einer These von Aby Warburg löst alles sich unabhängig vom Menschen Bewegende urspünglich Angst aus. Er nennt dies den "phobischen Reflex" (Gombrich 1970, S. 298). So dürfte der in frühen Kulturen anzutreffende Animismus (also die Vorstellung, dass alle Naturdinge beseelt sind) dem Versuch entspringen, diese Bewegungen durch Geisteskräfte zu erklären, die im Ritual zu beschwören und zu bannen sind.

Die Höhlenmalereien der Steinzeit werden denn auch von vielen Forschern als ein solcher Versuch angesehen, die Naturkräfte, insbesondere Tiere, deren Jagd gefährlich ist, zu bannen. Zugleich finden wir in den Steinzeithöhlen auch schon Malereien, die die umgekehrte Tendenz verfolgen und auf ein bewusstes Inszenieren von Animationseffekten schließen lassen (5.1).

Die noch vom Animismus geprägten religiösen Rituale zielen primär auf Kontakte mit Verstorbenen. Die Religion der alten Ägypter ist komplett um den Tod und die Wiederbelebung der Toten zentriert. Bezeichnend für ihre Reanimationstechnik ist das "Mundöffnungsritual" (5.2).

Dass der Mensch von Gott nach dessen Ebenbild geschaffen sei, ist der Grundgedanke vieler religiöser Traditionen, insbesondere der jüdisch-christlichen. Dieser zufolge hat Gott den Menschen aus Lehm geformt und ihm dann durch seinen Atem Leben eingehaucht. (5.3).

Bei den Griechen finden wir dieselbe Vorstellung vom Lebenshauch – der bei ihnen ἄνεμος (ánemos) und in Lateinisch animus heißt. Damit war nicht der ATem als solcher, sondern die Luftbewegung gemeint. Unser Wort "Animation" leitet sich aus dieser Doppelbedeutung von Atem und Seele bzw. Geist her. (5.4).

 

 

 

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