Peter Matussek

Medienästhetik der Schrift

1. Physiologie des Lesens

1. Physiologie des Lesens

Um Schrift als Phänomen (von griech. phainómenon = das Erscheinende) zu begreifen, müssen wir danach fragen, wie sie uns erscheint, und da sie uns nur im Vorgang des Lesens als Schrift erscheint, müssen wir zunächst verstehen, wie Lesen überhaupt funktioniert.

Das Lesenlernen vollzieht sich in drei Stufen: zunächst lernen wir, Schriftbilder als solche zu erkennen, dann lernen wir zu buchstabieren, und schließlich üben wir Mechanismen des flüssigen, quasi automatischen Lesens ein. Nicht nur der erste Schritt ist besonders anfällig für Lesefehler, sondern auch der dritte. (1.1)

Die Gründe hierfür erkennen wir, wenn wir die Physiologie des flüssigen Lesens näher untersuchen. Denn zum einen ist das visuelle Zentrum unseres Gehirns dabei nur zu einem geringen Teil tätig; das meiste geschieht jenseits der visuellen Wahrnehmung. (1.2)

Zum anderen machen unsere Augen beim Lesen Sprünge ("Saccaden"), die jeweils nur Teile der Texte scharfsehen; das übrige wird nur ungenau oder gar nicht gesehen. Diese Lücken werden, ohne dass wir es bemerken, von Ahnungen gefüllt, die wir auf die Schriftfläche projizieren. (1.3)

1. Physiologie des Lesens1.阅读的生理学
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