Peter Matussek

Medienästhetik der Schrift

4. Lektürezentrierte Texttheorien

4.3.4 Leerstellen im Film

Ausschnitt aus Hitchocks Film Spellbound (1945)

4.3.4 Leerstellen im Film

In der Filmtheorie wird Isers Terminus der Leerstelle neuerdings aufgegriffen – so etwa bei Edward Branigan (1998), der ihn mit "gaps" übersetzt. Auch David Bordwell (1985) spricht von "gaps". Diesen cinematographischen Leerstellen wird ebenso wie den literarischen das evokatorische, zwischen Protentionen und Retentionen oszillierende Potential zugesprochen, die Imaginationstätigkeit des Rezipienten zu motivieren: "Gaps are among the clearest cues for the viewer to act upon, since they evoke the entire process of schema formation and hypothesis testing" (S. 55).

Bordwell unterscheidet u.a. "narrational gaps" und "causal gaps", also erzählerische und kausale Leerstellen.

Beispiele für eine narrative und eine kausale Leerstelle im Film sind die gezeigten Ausschnitte aus Hitchocks Spellbound (1945). In der ersten Szene wird der Zuschauer mit der kausalen Leerstell konfrontiert, dass der junge Mann (Gregory Peck) sehr seltsam auf den Anblick paralleler weißer Linien reagiert. Die Skiszene (parallele weiße Linien!) löst später das Rätsel dahingehend auf, dass ein verdrängtes Kindheitstrauma die merkwürdige Reaktion plausibilisiert. Damit tut sich nun aber eine narrative Leerstelle auf: Wieso kommt die Erinnerung an den Unfall just beim Skilaufen wieder? Wir werden also neugierig gemacht auf einen noch nicht erzählten Handlungsstrang ...

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