Peter Matussek

Das 11. Sorak-Symposium:
Kulturwissenschaft als Herausforderung und Potential der Germanistik

 


Tagungsleitung 25.–28.9.2003, auf Einladung der Koreanischen Gesellschaft für Germanistik, Muju (Südkorea).



• Themenbeschreibung

Programmskizze

Literaturverzeichnis




Vorträge:

Germanistik als
Medienkulturwissenschaft

Leerstellen als
Erinnerungsanlässe

     
 

Themenbeschreibung


Der Aufschwung der Kulturwissenschaft als akademisches Fach und Forschungsprogramm, den wir seit rund fünfzehn Jahren erleben, ist für die Germanistik eine Herausforderung neuer Art. Während frühere Legitimationskrisen für die Disziplin geradezu konstitutiv waren, da sie mit einer auf die gesellschaftlichen und medialen Veränderungen angepaßten Erweiterung ihres Themen- und Methodenspektrums beantwortet werden konnten, läßt sich unter dem Konkurrenzdruck kulturwissenschaftlicher Fächer vielfach eine Umkehrung dieser Tendenz beobachten. Führende Fachvertreter befürchten eine Selbstauflösung der Germanistik, wenn sie sich ihrerseits zur Kulturwissenschaft erweitert, und fordern deshalb einen profilbildenden Rückzug auf die klassischen Kernkompetenzen der deutschsprachigen Textphilologie. Die Auslandsgermanistik ist von diesem Dilemma besonders betroffen, da angesichts ihrer begrenzten Kapazitäten Akzentverlagerungen zur einen Seite als Positionsschwächungen auf der anderen spürbar werden: Eine kulturwissenschaftliche Öffnung des Fachs könnte zu Lasten seiner sprach- und textphilologischen Anteile gehen, durch eine Konzentration auf diese könnte sie den Anschluß an die aktuellen Entwicklungen verlieren.
Es wäre jedoch unangemessen, die Kulturwissenschaft allein als konkurrentische Herausforderung der Germanistik zu sehen. Germanistik ist seit je – auch und gerade in ihren philologischen Ursprüngen – kulturwissenschaftlich orientiert gewesen. Schon dem klassischen Philologen Friedrich August Wolf ging es in seiner Darstellung der Altertumswissenschaft (1807) um das "Ganze": Er umschrieb die Philologie als "den Inbegriff der Kenntnissse und Nachrichten, die uns mit den Handlungen und Schicksalen, mit dem politischen, gelehrten und häuslichen Zustand der Griechen und Römer, mit ihrer Cultur, ihren Sprachen, Künsten und Wissenschaften, Sitten, Religionen, National-Charakteren und Denkarten bekannt machen". Dieser erweiterte Kontextbegriff, der auch in August Boeckhs Enzyklopädie und Methodologie der philologischen Wissenschaften (1877) Eingang fand, macht deutlich, daß die kulturwissenschaftliche Öffnung der Germanistik nicht in Opposition zur Besinnung auf ihre philologischen Kernkompetenzen stehen muß, sondern durchaus als vitalisierender Rückgriff auf ihr eigenes, weitgehend noch unausgeschöpftes Potential angesehen werden kann. So sind auch die modernen Arbeitsfelder der Kulturwissenschaft – historische Anthropologie, mediale Praktiken, Geschlechterordnung, globale Vernetzung, Erinnerung und Gedächtnis usw. – für die Germanistik keine fachfremden Importe, sondern mit ihren eigenen Traditionen, Methoden und Instrumentarien eng verknüpft. Gerade die Fremdsprachenphilologien, die eo ipso interkulturell ausgerichtet sind, haben für derartige Grenzgänge ein besonderes Sensorium.
Das Symposium will eine Plattform bieten, um sowohl die Herausforderungssituation der Germanistik durch die Kulturwissenschaft zu erörtern als auch die Potentiale auszuloten, die daraus für eine neue Selbstfindung des Fachs erwachsen können – beides unter Berücksichtigung der spezifischen Bedingungen und Möglichkeiten im ostasiatischen Raum.