1.1 Bewegungswahrnehmung als neuronale Kompensation

1.1.4 Orientierungsausgleich

Wenn die für die Wahrnehmung von Objektbewegungen erforderliche Standortfestigkeit nicht gegeben ist oder nicht gegeben zu sein scheint, versucht das Gehirn die fehlende Orientierung auszugleichen.

Erstreckt sich eine Bewegung über unser gesamtes Gesichtsfeld, nehmen wir keine Objektbewegung wahr, sondern unser Gehirn unterstellt, dass wir es sind, die sich bewegen, und schafft einen Ausgleich, der unser Standortgefühl jeweils in Relation zur äußeren Bewegung neu justiert. Sie können das ausprobieren, indem Sie sich auf einem Bein nahe vor dem Bildschirm platzieren. Sobald Sie die Animation starten, spüren Sie, wie ihr Gleichgewichtssinn hin- und herschwankt, um einen Ausgleich herzustellen.

Wer schon einmal für längere Zeit zur See gefahren ist, kennt das Gefühl beim ersten Landgang, dass der Boden schwankt. Der tagelang vollzogene Orientierungsausgleich des Gehirns ist derart habituell geworden, dass es eine zeitlang dauert, bis die Gegenbewegungen aufhören.

Aus den genannten Befunden lässt sich ein gutes Rezept gegen die Seekrankheit ableiten, das schon Charles Darwin auf einer seiner Seereisen entdeckte: Wenn man sich einen Punkt am Horizont aussucht und den beahrrlich fixiert, wird die beständige Umorientierungsarbeit des Gehirns abgeschwächt.