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Die Technisierung der Animation

Abstandeinhaltenen

Der Begriff der Animation, der einmal den Vorgang der Beseelung durch übernatürliche Kräfte bezeichnete, ist im Computerzeitalter zum terminus technicus geworden. Das wirft die Frage auf, ob das Faszinosum des erinnernden Sehens dabei noch erhalten bleibt. Diese Frage wird mancher mit Blick auf "animierte" Kultfiguren wie etwa Lara Croft – rechts in der Pudica-Pose – mit einem "Nun erst recht" beantworten. Aber entgegen der üblichen Begründung glaube ich nicht, daß der Kultstatus solcher Cyberwesen auf der täuschend "echten" Simulation ihrer Körperbewegungen beruht, sondern just auf Statuarik, Schematisierung und Entindividualisierung – Kriterien, die Hans Belting (1990) schon für den Ikonenkult als maßgebliche Auratisierungsfaktoren hervorhebt (S. 92f.).

In eben diesem Sinne hat unlängst Astrid Deuber-Mankowsky (2001) das Phänomen Lara Croft aus der Sicht der feministischen Theorie analysiert. Ihre Ausgangsfrage, wie "aus der mehr oder weniger hölzern agierenden Computerfigur mit rudimentärster Mimik eine Traumfrau und ein 'cultural Icon' werden konnte" (S. 3), beantwortet sie mit dem Theorem einer "imaginären Illusion", d.h. der Identifikation mit einer Figur, die hinlänglich unbestimmt ist, um als Projektionsfläche zu dienen (S. 38).


Lara Croft Magazin 1 (1999)

Damals wie heute ist es die Ferne vom natürlichen Lebensausdruck, die den Betrachter zur projektiven Ergänzung einlädt und damit ein erinnerndes Sehen veranlaßt, das Wunschphantasien freisetzt. Trotz ihres üppigen Busens ist auch Lara Crofts Sympathiewirkung vor allem das Produkt einer organischen Mangelausstattung. Das gerenderte Körperbild und die mechanischen Bewegungen stimulieren die Imagination weit nachhaltiger, als es perfektionierte Simulationen vermögen. Je erkennbarer die Künstlichkeit des Artificial Life hervortritt, um so menschlich anrührender sind seine Funktionen.