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Orpheus unter den Tieren |
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P. Ovidius Naso: Metamorphoseon Libri, Liber X
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50 Hanc simul et legem Rhodopeius accipit Orpheus, ne flectat retro sua lumina, donec Avernas exierit valles; aut irrita dona futura. Carpitur adclivis per muta silentia trames, arduus, obscurus, caligine densus opaca. 55 Nec procul afuerunt telluris margine summae: Hic, ne deficeret, metuens avidusque videndi flexit amans oculos; et protinus illa relapsa est, bracchiaque intendens prendique et prendere certans nil nisi cedentes infelix adripit auras. 60 lamque iterum moriens non est de coniuge quicquam questa suo (quid enim nisi se quereretur amatam?) supremumque "vale", quod iam vix auribus ille acciperet, dixit revolutaque rursus eodem est. Non aliter stupuit gemina nece coniugis Orpheus |
Übersetzung Heinrich Voss 50 Jetzt empfing sie der Held von Rhodope samt der Bedingung, Daß er die Augen zurück nicht wendete, bis er entflohen Aus dem avernischen Tal; sonst wäre die Gab' ihm vereitelt. Schnell erklommen sie nun durch Todesstille den Fußsteig, Jäh empor, und düster, umdrängt von dumpfigem Nachtgraun; 55 Und nicht waren sie ferne dem Rand der oberen Erde. Jetzo besorgt, sie bleibe zurück, und begierig des Anschauns, Wandt' er die Augen voll Lieb'; und sogleich war jene versunken. Streckend die Arm', und ringend, gefaßt zu sein und zu fassen, Haschte der Unglückselige nichts, als weichende Lüfte. 60 Wieder starb sie den Tod; doch nicht ein Laut um den Gatten Klagete. Konnte sie wohl, so geliebt zu sein, sich beklagen? Fernher rief sie zuletzt, und kaum den Ohren vernehmlich: Lebe wohl! Und gerafft zu der vorigen Wohnung entflog sie. Orpheus starrte wie Fels bei dem doppelten Tode der Gattin. |