Peter Matussek

Die Gedächtniskunst und das Gedächtnis der Kunst
Erinnerungstechniken im Medienwechsel[1]

 


Erschienen in: Paragrana. Internationale Zeitschrift für historische Anthropologie 9 (2000), H. 2: Inszenierungen des Erinnerns, S. 191–214.

 

     
 

Ob die Mnemonik sich zu Recht von Mnemosyne, der Mutter der Musen, herleitet oder durch merktechnische Prothesen das kreative Erinnern verkümmern läßt, ist eine alte Frage, die mit jedem Medienwechsel erneut in die Diskussion gerät. Heute sind es digitale Aufzeichnungssysteme, die mit ihren vernetzten Speicherkapazitäten ein so überwältigendes künstliches Gedächtnis bereitstellen, daß heftiger denn je darüber gestritten wird, ob es ein demgegenüber differentes Gedächtnis der Kunst überhaupt noch geben kann. Allein die Titel vieler Computer- und Web-Installationen – etwa Immemory von Chris Marker[2] , No Memory von Valéry Grancher[3] oder Without adresses von Joachim Blank und Karl Heinz Jeron[4] – offenbaren das narzißtische Gekränktsein einer Mnemosyne, die ihre bedrohte Identität in absoluter Negation zu den mnemonic devices der neuen Medien zu behaupten sucht. Von hier ist es nur ein kleiner Schritt zum Reaktionsmuster der Identifikation mit dem Angreifer. Insofern hat die Jury der Linzer Ars Electronica letztes Jahr eine naheliegende Entscheidung getroffen, als sie den Hauptpreis in der Kategorie ".net" an "Linux", einen Betriebssystemcode, vergab. Daß man nicht die ästhetische Gestaltung multimedialer Präsentationen auszeichnete, sondern die als solche gar nicht in Erscheinung tretenden algorithmischen Voraussetzungen für jegliche Computeraktivität, war als Signal einer neuen Ära gedacht: Mit der Preisverleihung an "Linux" sollte, wie es in der Begründung heißt,"auch die Diskussion angeregt werden, ob nicht ein Source Code selbst ein Kunstwerk sein kann".[5]

Die Anregung wurde lebhaft aufgegriffen. Kritiker der Entscheidung argwöhnten sogleich eine Verschwörung – bestärkt durch ein elektronisches Rundschreiben mit dem Absender eines Jury-Mitgliedes, in dem enthüllt wurde, daß die Industrie, namentlich Microsoft und Siemens, im Versuch, Kontrolle über das populäre "Open Source"[6] -Produkt zu bekommen, die Jury unter Druck gesetzt hätten: "The idea is to use the art and science community to soft launch their linux activities and control open source strategies. They do understand that open source has evolved into a stronger development strategy and they have to jump that train early enough, in order to avoid another 'internet' desaster. So as artists, writers and scientists we are used as lab-rats and cheap alternative researchers. This is NOT what artists need and it is certainly not what Ars Electronica should be aiming at."[7]

Zwar entpuppte sich die Mail kurz darauf als "Hoax". Doch die Klarstellung[8] konnte den Kerngedanken jener Verschwörungstheorie kaum erschüttern – nämlich den Grundsatz, daß künstlerische und technologische Interessen sich nicht vertrügen. Die Linzer Preisverleihung bleibe, wie einer der Düpierten festhielt, gleichwohl ein bedrohliches Symptom: "this really tells the capitulation to technology and the dismissing of *content*, intention, and all those mysterious elements that make up the *aura* of an art work, even on the screen."[9]

Nun steht freilich die antitechnologische Bestimmung des Ästhetischen spätestens seit Benjamin unter dem Verdacht, unfreiwillig den Tendenzen zuzuarbeiten, denen sie im Namen traditioneller Kunstkriterien eine Absage erteilen möchte. Heute ist mehr denn je vom "technischen Bedingtsein der auratischen Erscheinung"[10] auszugehen. Mystischer Zauber ist längst zur kommerziellen Massenware auf den Netzen geworden; ein Blick auf die zahlreichen Angebote für "Aura-Software" genügt, um die Anrufung entsprechender Phänomene als völlig untauglich zur Abgrenzung vom technologischen Mainstream zu erweisen.[11]

Demgegenüber erscheint es nur redlich, wenn Net Art ihre Herstellungsbedingungen nicht unter dem Sfumato elektronischer Weichzeichner verbirgt, sondern diese offenlegt, wie es die Strategie der "Open Source"-Bewegung vorsieht. Ist also die Programmierarbeit am künstlichen Gedächtnis des Computers nicht nur im Sinne der techné, sondern auch der poiesis eine "Kunst"?

Ein historischer Vergleich kann bei der Beantwortung dieser Frage weiterhelfen. Denn so neu, wie es auf den ersten Blick scheint, ist die Linzer Entscheidung ja nicht; die Jury der Ars Electronica reproduzierte im Grunde nur das Selbstverständnis der antiken ars memoria, die ihre Merktechnik als Gabe der Mnemosyne begriff[12] : Die drei römischen Quellen zur Gedächtniskunst erzählen unisono, daß es der berühmteste griechische Lyriker gewesen sei, der diese "Kunst" erfunden habe. Eigentlich war Simonides von Keos für ganz andere Erinnerungsleistungen berühmt – Trauergesänge, die er so anrührend vorzutragen vermochte, daß die Toten wieder lebendig zu werden schienen. Doch offenbar hängen beide Memorialfunktionen enger zusammen, als es der kulturkonservativen Kritik ins Konzept paßt.[13] Auch Threnoi sind Produkte der Mnemonik, und zwar nicht nur aufgrund der trivialen Tatsache, daß ihre Deklamation des vorherigen Einprägens bedarf; vielmehr ist schon ihre Abfassung eine Form der artifiziellen Speicherung, ohne die eine ästhetische Evokation des Vergangenen nicht möglich wäre. So ist, wie Derrida formuliert, "die Technik […] immer der Parasit für die wahre Mnemosyne, die Mutter aller Musen und die lebendige Quelle aller Inspirationen."[14] Gleichwohl wird die Differenz zwischen dem künstlichen Gedächtnis und der Kunst, das Gedächtnis anzuregen, damit nicht nivelliert. Und just in den drei römischen Rhetoriklehrbüchern wird  diese Differenz zur Entfaltung gebracht. Denn sie beschreiben ihre Methode in einer ästhetischen Form, die ihre technischen Inhalte subvertiert.

So läßt Cicero sein Gespräch De Oratore im Schatten einer Platane stattfinden, anspielend auf Platons Phaidros, das Hauptbuch der Rhetorik- und Mnemonik-Kritik. Den Part über die ars memorativa doziert Antonius, der als unkreativer Technologe charakterisiert ist und in seinen Ausführungen klarstellt, daß die Gedächtniskunst kein schöpferisches, sondern nur ein festigendes Vermögen sei (2, 356). Dieser Vorbehalt wird durch die narrative Symbolik der Simonides-Legende unterstrichen: Ausgerechnet die tödliche Gewalt eines Palasteinsturzes soll es gewesen sein, die den für seine mitleidvollen Threnoi berühmten Lyriker zur stocknüchternen Entdeckung der topographischen Methode veranlaßt habe! Wenn also die Topoi der Gedächtniskunst in einer derart grausam fixierten Sitzordnung ihr Urbild haben, so gibt das einen deutlich kritischen Hinweis darauf, daß die mnemotechnische Aufbereitung von Merkobjekten eine Mortifikation ist – die Memorabilia müssen ihres Lebens beraubt werden, um sich ortsfest speichern zu lassen.

Auch die anderen beiden römischen Quellen zur Gedächtniskunst beschreiben die Mnemonik in einer Weise, die über ihren rein mechanischen Gebrauch hinausführt. Der Autor der Rhetorica ad Herennium setzt auf die Eigenaktivität der Bildfindung und postuliert "agentes imagines", die einen emotional bewegenden Charakter haben (III, 22, 37). Und Quintilian kritisiert in seinen Institutionis Oratoriae das Festhalten an auswendiggelernten Wörtern, weil diese den Vortragenden an der spontanen Wortfindung hinderten und der "Darstellung" die "Freiheit" nähmen (XI, 2, 48). In diesem Geiste unterzieht er auch die Simonides-Legende einer historisch-philologischen Kritik. Er verweist auf Ungereimtheiten der Überlieferung und vor allem darauf, daß der Dichter, der die ihm zugeschriebene Erfindung nirgends erwähnt, "doch gewiß selbst über eine solche Ruhmestat sich nicht in Schweigen gehüllt hätte". So appelliert Quintilian ex silentio an den Leser, die Darstellung der Begebenheit nicht buchstäblich zu nehmen, sondern als verklausulierte Form einer anthropologischen Erfahrungstatsache (2, 16f).

Schon die klassischen Mnemoniklehren also halten zu einem Lesen zwischen den Zeilen an, um imaginative Freiräume in den Trümmern der eingestürzten Memorialbauten zu eröffnen. Sie tun dies mit Darstellungsmitteln, die in moderner Terminologie als "Leerstellen" zu charakterisieren sind. Wolfgang Iser hatte diesen Begriff im Anschluß an Roman Ingardens "Unbestimmtheitsstellen" eingeführt, um die Frage zu klären, warum Geschriebenes anders rezipiert werden kann als im Modus des bloßen Speicherabrufs, nämlich im Sinne erinnernder Eigenaktivität des Subjekts. Seine Antwort: Literatur zeichne sich durch eine Bedeutungsoffenheit aus, die an die Einbildungskraft des Lesers appelliert, Lücken im Sinngefüge durch Erinnerungen an Vorgängiges kombinatorisch zu ergänzen.[15] Daß dieser Ansatz aus einer Textwissenschaft kommt, unterbindet nicht, wie insbesondere seine Reaktualisierungen im Bereich der Kunstgeschichte und Kinotheorie beweisen[16] , eine Anwendbarkeit auf andere Medienbereiche. Freilich müssen dazu entsprechende Modifikationen vorgenommen werden. Ein derart generalisiertes Konzept der Leerstelle lege ich im folgenden zugrunde, um meine Ausgangsfrage zu operationalisieren. Sie lautet nun: Unter welchen Umständen können auch digitale Medien Leerstellen eröffnen, die – analog zur Selbstüberschreitung der klassischen ars memoria – ihr reduziertes Dasein als automatisierte Speicher transzendieren und sie zu Anlässen einer ästhetischen Erinnerungserfahrung machen?

Ich muß diese Frage dreiteilen, da sich die heutige Digitaltechnik in drei Formen mit unterschiedlichen Eigentümlichkeiten präsentiert: Schrift, Bild und Klang – oder neulateinisch: Lego, Video und Audio. Diese drei Sinnesbereiche gilt es zunächst in ihrer spezifischen Gegebenheit für die Wahrnehmung des Rezipienten zu charakterisieren. Ich werde daher für jeden Bereich zunächst phänomenologisch zu bestimmen suchen, wie in seiner spezifischen Medialität Leerstellen zustandekommen und funktionieren können. Im jeweils zweiten Schritt stelle ich die Frage nach den historischen Ursprüngen dieser sinnesspezifischen Erinnerungsanlässe unter den Bedingungen analoger Medien, um drittens die Vergleichsfrage zu erörtern, inwiefern es entsprechende Leerstellen auch in den digitalen Medien geben kann oder was durch sie anders wird.

 

Lego

 

Iser beschreibt die Struktur der literarischen Leerstelle als "Besetzbarkeit einer bestimmten Systemstelle im Text durch die Vorstellung des Lesers".[17] Inwiefern dabei Erinnerungen zum Zuge kommen, läßt sich mit einer Analogie aus Henri Bergsons Materie und Gedächtnis erklären. Unter Berufung auf die "geistvollen Versuche von Goldscheider und Müller über den Mechanismus des Lesens" widerspricht Bergson der geläufigen Annahme, "daß wir die Worte Buchstabe für Buchstabe lesen" und stellt mit den genannten Forschern fest, "daß fließendes Lesen in Wahrheit ein Erahnen ist: unser Geist erfaßt da und dort schnell ein paar charakteristische Züge; den ganzen Zwischenraum füllt er mit Erinnerungsbildern aus, die er auf das Papier projiziert, wo sie die wirklichen gedruckten Buchstaben verdrängen, ersetzen, ja zu sein scheinen. So sind wir unaufhörlich schaffend oder rekonstruierend tätig".[18]

Freilich ist das nur eine Analogie zu dem Modell von Iser. Seine "Leerstellen" beziehen sich nicht auf das buchstäbliche Schriftbild, sondern sind metaphorisch zu verstehen: als hermeneutische Vakuolen, die durch Perspektivenwechsel auf Handlungen und Figuren konstituiert werden. Mit jeder neuen Perspektive wird die Retention voriger Textpassagen aktiviert und rückwirkend modifiziert. In dieser Weise wird das erinnernde Lesen zu einem produktiven Akt des Individuums, denn es sind seine früheren Lektüre- und Lebenserfahrungen, die er jeweils in das Verständnis der hinzukommenden einbringt.[19]

Um das nun zu historisieren, rekurriere ich auf einen Autor, den Iser am allerwenigsten vor Augen hatte: nämlich Platon[20] , dessen Phaidros als Gründungsdokument der literarischen Erinnerungstechnik angesehen werden kann.

Der Dialog reflektiert den in Griechenland gerade erst vollzogenen Übergang von der Oralität zur Literalität. Er tut dies in einer bestimmten Form von Intertextualität, die Jan Assmann als "Hypolepse" bezeichnet hat: einer Selbstbezüglichkeit des Textes, die – als Kompensat der situativen Verortung mündlicher Interaktion – die Bedingungen seiner Genese explizit macht.[21] Der von Sokrates fingierte Mythos über die Erfindung der Schrift ist ein Paradebeispiel für diese Art von Selbstreferentialität. Er bildet das Zentrum einer Verschachtelung von Textebenen, die sich gegenseitig durch Rahmengebung relativieren und so jeweils als situativ bedingte Darstellungsebenen kenntlich machen. Fünf solcher Ebenen lassen sich unterscheiden:

1. Die Schrift. An der besagten Stelle des Dialogs doziert Sokrates über die Vor- und Nachteile der schriftlichen Aufzeichnung gegenüber der mündlichen Kommunikation. Sokrates erläutert seinen Standpunkt hier aber nicht im unmittelbaren Bezug auf das Referenzobjekt, sondern indirekt, indem er von einem Gespräch darüber berichtet:

2. Das Gespräch zwischen Theut und Thamus über die Schrift. Sokrates zufolge legte Theut – der ägyptische Gott der Weisheit, den die Griechen Hermes nannten – seine Erfindung der Buchstabenschrift dem König Thamus zur Prüfung vor. Dieser soll die Anpreisung der neuen Kulturtechnik als Gedächtnismittel mit dem Argument widerlegt haben, daß es sich um ein paradox wirkendes Pharmakon handle: Es werde "den Seelen der Lernenden vielmehr Vergessenheit einflößen aus Vernachlässigung der Erinnerung, weil sie im Vertrauen auf die Schrift sich nur von außen mittels fremder Zeichen, nicht aber innerlich sich selbst und unmittelbar erinnern werden." Thamus' Conclusio, die wegen des uneinheitlichen Gebrauchs der Worte Erinnerung und Gedächtnis schwer ins Deutsche zu übersetzen ist: " oÎkoun mnÆmhw éllå ÍpomnÆsevw fãrmakon e rew" (274d–275a). Die Gedächtnisstützen (Hypomnemata) der Schrift also lassen die erinnernde Eigenaktivität des Subjekts verkümmern. Es ist nur konsequent, daß Sokrates diesen Gedanken nicht aus einer Schrift zitiert, sondern als mündliche Äußerung wiedergibt. Ihm scheint Platon zu folgen, indem er die Weisheiten seines Lehrers ihrerseits aus einem Dialog hervorgehen läßt:

3. Das Gespräch zwischen Sokrates und Phaidros über das Gespräch zwischen Theut und Thamus über die Schrift. Der Dialog bildet den narrativen Rahmen für das darin erwähnte Gespräch, so daß er sich in ihm spiegeln kann. Indem er Sokrates zum oralen Beobachter eines oralen Beobachters der Schrift macht, umgeht Platon den unmittelbaren performativen Widerspruch einer Verschriftlichung der Schriftkritik. Gleichwohl hat er den Dialog aufgezeichnet:

4. Platons Schrift über das Gespräch zwischen Sokrates und Phaidros über das Gespräch zwischen Theut und Thamus über die Schrift. Die negative textuelle Selbstreferenz ist eine Paradoxie, die schon vielen Philologen Kopfzerbrechen bereitet hat. Ich kann auf diese Diskussion hier nicht näher eingehen[22] , sondern beschränke mich auf den für unseren Zusammenhang zentralen Aspekt: Im Gegensatz zu Havelock und Ong halte ich es für ausgeschlossen, daß Platon sich seines literarischen Tuns in einem just darüber reflektierenden Text nicht bewußt gewesen sei.[23] Ich glaube vielmehr, daß der Dialogautor – den Wilamowitz als den "ersten echten Schriftsteller"[24] bezeichnete – ein Verfahren vorführt, wie mit Schrift über die im Dialog herausgestellten Begrenzungen der Schrift hinauszugehen ist. Dieses Verfahren ist eine ganz bestimmte Variante der Hypolepse, die mit wiederholten Spiegelungen von Literalität und Oralität operiert. Dabei wird die jeweils höhere Spiegelebene zum Anlaß einer relativierenden Rückprojektion. So argwöhnt Phaidros im Gespräch mit Sokrates, daß die Geschichte von Theut und Thamus doch wohl erfunden sei, was Sokrates unumwunden zugibt: Auf die Sache komme es an. Analog verhält es sich, wenn Platon seine eigene Schriftkritik schriftlich festhält – auch hiermit wird eine autoreferentielle Distanznahme vollzogen, die die Medialität des literarischen Textes zur Disposition stellt. Es ist schlechterdings nicht möglich, den Platonschen Dialog zu lesen, ohne daß der Leser dieses schriftkritischen Werks daran erinnert wird, daß er selbst gerade Leser einer Schrift ist:

5. Das Lesen von Platons Schrift über das Gespräch zwischen Sokrates und Phaidros über das Gespräch zwischen Theut und Thamus über die Schrift. Die Verschachtelung der sprachlichen Ebenen hat also eine Dynamik in Gang gesetzt, die aus der Immanenz des Werkzusammenhangs hinausweist. Die Lektüre wird als situativer Akt erlebt – als "ich lese", das die Rezeption der Schrift aufgrund ihrer reflexiven Struktur zwangsläufig begleitet und somit die Individualität der Stimme aus der literarisch fixierten Dialogizität wiedergewinnt.

Wenn wir nun den komparativen Sprung in die digitale Moderne machen, so fällt auf, daß der Diskurs um die elektronische Schrift sich immer wieder zentral auf den Phaidros bezieht. Den Anfang machte David Bolter, dessen Buch Writing Space – als einer der ersten Hypertexte überhaupt – zugleich auf Diskette erschienen ist.[25] Bolter sieht Platons Dialogverfahren als Vorläufer des neuen Mediums, da dieses wie jenes eine Dynamisierung der Schrift intendiere, um den Situationsbezug wieder herzustellen, der mit der literarischen Tradition verloren gegangen war. Der Hypertext aber löse ein, was Platon vergeblich versucht habe: Während die sokratischen Dialoge Interaktivität nur vortäuschten, erlaube die elektronische Schrift dem Leser eine tatsächliche Partizipation durch eigene Fortschreibungen und freie Auswahl von Verknüpfungen im Textgewebe. Ähnlich argumentiert David Kolb. Auch für ihn ist der Hypertext die Vollendung einer von Platon mit notwendig unzulänglichen Mitteln versuchten Rückkehr zu einer zweiten Oralität, die die erste an situativer Anpassungsfähigkeit noch übertreffe.[26]

Die elektronischen Amplifikationen Platons operieren freilich mit einer starken Unterstellung: daß der Leser klüger sei als der Autor. Literarische Kompositionen als beliebig veränderbare Gebilde anzusehen, die durch Eingriffe nicht an Lebendigkeit verlören, sondern gewännen, gehört freilich zum Daseinsgefühl jeden Lektors, erfordert aber gegenüber Autoren wie Platon doch ein gewisses Selbstvertrauen. Wer sich einem entsprechenden Test unterziehen möchte, kann etwa die Hypertext-Version von Platons Gorgias aufrufen, ein Internet-Projekt, das an der University of Texas in Arlington realisiert wurde.[27] Mit dem Anspruch, "we want to add life to these age old conversations" wird hier dem Leser die Möglichkeit geboten, in die Rolle von Sokrates' Gesprächspartnern zu schlüpfen. Die Hyperlinks bieten neben dem Platonschen Text jeweils Alternativantworten, die von den Lesern via E-Mail-Formular selbst eingegeben werden können, so daß sich der Dialog gemäß der Dynamik der Zuschriften virtuell immer weiter verzweigt. Was aber ist mit dieser elektronischen Ermächtigung des Lesers zur Teilhabe gewonnen?

Nicht mehr und nicht weniger als eine faktische Besetzung der Leerstellen, die zuvor in der Auseinandersetzung mit einem gegebenen Text der kontrafaktischen Imagination vorbehalten waren.[28] Sobald man es unternimmt, den Dialog interagierend umzuschreiben, wird man feststellen, daß er gar kein Gespräch war, sondern ein schriftlich komponiertesGefüge von Fragen und Antworten, die gemeinsam teilhaben an einer wohlkalkulierten Dynamik, die zerstört wird, sobald man von der Dramaturgie abweicht. Diese Dekontextualisierung wird freilich von Hypertext-Apologeten als Vorzug gepriesen, da sie mit neuen Angeboten der "Rekombination" vergolten werde.[29] Das mag in den Fällen, in denen sich die einzelnen Textmodule überhaupt anschlußfähig zeigen, zwar stimmen; gleichwohl fordert es seinen Preis: Nur dasjenige ist rekombinierbar, das seinem Gehalt nach weitgehend indifferent und nivelliert gegenüber allen kontextuellen Implikationen ist. Paradoxerweise ist also eine dramaturgische Entropie die Voraussetzung für das Partizipationserlebnis der Hyperlink-Auswahl. Umgekehrt führt gerade ein Klick-Verzicht in der Regel zu einer Steigerung der Imaginationsleistungen beim Rezipienten: Nur ein invariantes Textgefüge kann bewirken, daß eine Komplexität, wie sie oben anhand der Verschachtelungsstruktur jener Phaidros-Stelle exemplifiziert wurde, sich in der Vorstellung des Lesers aufbaut; dagegen vollzieht die Nachgiebigkeit des Hypertextes gegenüber jedem Ebenenwechsel eine permanente Komplexitätsreduktion.

Empirische Studien zur Rezeption von Hypertexten stellen denn auch fest, daß das neue Genre entgegen seiner Attribuierung als "nichtlinear" gerade dort am besten funktioniert, "wo 'linear' eine Geschichte erzählt wird" oder wo enzyklopädische Informationen aus einer festgefügten Struktur ausgelesen werden.[30] Das literarische Leerstellenangebot aber, das der Hypertext durch Verknüpfungen zu perfektionieren scheint, wird tatsächlich durch ihn in seiner kompositorischen Substanz zerstört. Es ist also kein Zufall, daß bisher trotz angestrengter Initiativen zur Förderung der Hypertext-Poesie kein einziger Versuch wirklich überzeugen konnte. Schon macht das böse Wort von der "Klickeratur" die Runde. Denn dasjenige, was den Appellcharakter der Lektüre sonst ermöglicht: das Absehen vom Schriftbild, wird hier durch Funktionsaufladung der Oberfläche behindert. Der Hypertext funktioniert nur als "Clickable Map", deren Steuerelemente als ikonische Objekte rezipiert werden müssen. Das bedeutet freilich nicht, daß er nicht auch zur ästhetischen Transzendierung seines hypomnematischen Grundcharakters fähig wäre. Doch hierfür sind Operationen vonnöten, die nicht mehr zur Domäne der Schrift gehören: An der graphischen Oberfläche vollziehen sich alle kreativen Innovationen der Hypertextliteratur. Um dieses kreative Potential ausmachen zu können, müssen wir zu einer anderen Art der medialen Wahrnehmung übergehen – zum erinnernden Sehen.[31]

 

 

Video

 

Isers Leerstellenmodell läßt sich nicht ohne weiteres auf die bildende Kunst übertragen. Während ein Leser von den individuellen Eigentümlichkeiten des Schriftbildes in der Regel absehen muß, um Texte zu verstehen – Aleida Assmann unterscheidet diesbezüglich das "reading" vom "gazing" –, muß sich ein Betrachter in die Oberflächengestalt versenken.[32] Diese Differenz affiziert auch das Funktionieren von Leerstellen. Eine Erzählung etwa könnte sich mit der Auskunft begnügen: "Er hatte einen überraschten Gesichtsausdruck" – und der Leser wird sich herausgefordert fühlen, mit Hilfe von Einbildungskraft und Erinnerung die literarisch ausgesparten Gesichtszüge zu ergänzen. Ein Bild kann nicht in dieser Weise an die Imagination appellieren. Es muß den überraschten Gesichtsausdruck darstellen.

Aber auch dabei freilich gilt Diderots Monitum: "Wenn man malt, muß man alles malen? Habt Erbarmen und laßt eine Lücke, die meine Phantasie ausfüllen kann."[33] Und obwohl Isers Konzept in der Kunstgeschichte bisher wenig Beachtung gefunden hat, ist es der Sache nach hier eigentlich zuhause. Schließlich geht der Begriff "Leerstelle" dem Wortsinn nach auf eine bildliche Wahrnehmung zurück. Und wenn etwa Winckelmann beschreibt, wie der Torso im Belvedere eine unwillkürliche Ergänzung der fehlenden Glieder motiviert[34] oder Veronese vor der Inquisition aussagt, wo "in einem Gemälde Platz frei" sei, "bereichere" er es "mit weiteren Figuren gemäß der heiligen Schrift"[35] , so werden hier Leerstellen beschrieben, die im Sinne Isers als ästhetische Erinnerungsanlässe fungieren.

Wolfgang Kemp hat das literaturwissenschaftliche Modell als erster in die Bildtheorie reimportiert.[36] An Gérômes Gemälde Der Tod des Marschall Ney, das in entkonkretisierter Manier die Situation kurz nach der Erschießung eines Zivilisten durch ein Militärkommando zeigt, macht er verschiedene Arten piktoraler Leerstellen aus: Zum einen die bildbeherrschende Fläche einer Mauer, vor welcher der Getötete liegt, in die der Betrachter also das vergangene Geschehen hineinzuprojizieren hat; ferner den im Bild nicht dargestellten Standort der Täter, der durch die Bewegungsrichtung eines zurückblickenden Soldaten zu erschließen ist; des weiteren die bildliche Unbestimmtheit der Handlung und die fehlende Stellungnahme des Künstlers, die an das historische Erinnerungsvermögen des Rezipienten appellieren.[37]

Das Beispiel macht deutlich, daß piktorale Leerstellen nicht einfach Auslassungen sind; sie funktionieren nur, wenn die Kombinationsleistungen des Betrachters ihrerseits durch bildliche Elemente angestoßen werden: So wird die Mauer erst im Kontext des davor liegenden Toten zur Projektionsfläche seiner imaginierten Erschießung; ohne den zurückblickenden Soldaten wäre sie auch nicht als Zielrichtung der Schützen auszumachen; die Bekleidung der Personen schließlich gestattet bei aller historischen Unbestimmtheit des Geschehens immerhin eine epochale Zuordnung, ohne die sie kaum einen Erinnerungsanlaß böte. Doch Kemps Analyse soll hier nicht weiter referiert werden. Vielmehr sei zur Erläuterung des erinnernden Sehens unter den Bedingungen analoger Medien abermals auf eine antike "Urszene" rekurriert, um sie dann im Vergleich mit den Gegebenheiten digitaler Medien auf Kontinuitäten und Diskontinuitäten zu überprüfen. Als eine solche Urszene bietet sich der Pygmalion-Mythos an.

Wir kennen die Geschichte des Bildhauers, der sich eine Frau nach seinen Wunschvorstellungen schafft, zwar erst aus Ovids Metamorphosen, aber es ist evident, daß sie ältere Überlieferungen aufgreift. Bei den Griechen steht sie mit den Mythen von der Entstehung der Plastik in Verbindung. Diese soll – Plinius zufolge – der korinthischen Töpfer Butades erfunden haben, der seiner Tochter über den Schmerz der Trennung von ihrem fernen Geliebten hinweghalf, indem er eine Nachbildung des Mannes aus Ton anfertigte (Historia Naturalis, XXXV, 151). Auch in Ovids Geschichte geht es um die künstlerische Erzeugung einer Anwesenheit in der Abwesenheit. Ihr zentrales Motiv, das den Vorgang der Animation des Artefakts anschaulich macht, ist die Scham: Pygmalion hat sich von den Propoetiden abgewendet, weil diese "schamlos" gewesen sind, und zur Strafe in Stein verwandelt wurden. Als besseren Ersatz schafft er sich nun eine Skulptur, die den Ausdruck der Schamhaftigkeit annimmt. Ovid dürfte dabei den klassischen Bildtyp der "Venus pudica" vor Augen gehabt haben, wie ihn die Venus Medici verkörpert. Der Gestus der mit den Händen verdeckten Blöße wird von Pygmalion als Zeichen der Beseeltheit wahrgenommen:

"Wie einer wirklichen Jungfrau ihr Antlitz, du glaubtest, sie lebe,
wolle sich regen, wenn die Scham es ihr nicht verböte." (X, 250f.)[38]

 

Nur die Scham also hindert sie an der Bewegung – damit wird gerade die Erstarrung, das Merkmal der Statuenhaftigkeit, für den Betrachter zum Merkmal der Lebendigkeit!

Die pudikale Pose verleiht der Skulptur einerseits die unnahbare Aura eines Kultbildes, andererseits wird sie dadurch um so mehr zum Objekt des Begehrens. Pygmalion ist nur einer von mehreren überlieferten Fällen antiker Statuenliebe. So berichtet etwa Plinius über einen Jüngling, der angesichts der Aphrodite von Knidos, des berühmtesten Kultbilds der Antike, "von Liebe ergriffen war, sich nachts verborgen hielt, das Standbild umarmte und als Beweis seiner Begierde einen Flecken hinterließ" (Historia Naturalis XXXVI, 21). Das "Herumtatscheln an den weichen Marmorpartien der weiblichen Göttinnen" – so Hegel[39] – fand freilich stets die Mißbilligung der Kunstliebhaber. Deren Enthaltsamkeit aber beruht auf einem Interesse an der Aufrechterhaltung der erotischen Spannung, die durch krude Interaktion abgebaut wird. Alle Versuche, in der Nachfolge Pygmalions Artefakte als belebt erscheinen zu lassen,beruhen auf dieser Dialektik des Begehrens. Immer ist es die Leerstelle des zurückgehaltenen Lebensausdrucks, die den Betrachter veranlaßt, dasjenige in die Skulptur hineinzusehen, was seinen eigenen Wunschvorstellungen und Sehnsüchten entspricht. Die Kunstgeschichte ist reich an entsprechenden Pygmalion-Darstellungen.[40] Können sie unter Bedingungen digitaler Medien noch überzeugen?

Der Begriff der Animation, der einmal den Vorgang der Beseelung durch übernatürliche Kräfte bezeichnete, ist im Computerzeitalter zum terminus technicus geworden. Das wirft die Frage auf, ob das Faszinosum des erinnernden Sehens dabei noch erhalten bleibt. Diese Frage wird mancher mit Blick auf "animierte" Kultfiguren wie etwa Lara Croft[41] mit einem "Nun erst recht" beantworten. Aber entgegen der üblichen Begründung glaube ich nicht, daß der Kultstatus solcher Cyberwesen auf der täuschend "echten" Simulation ihrer Körperbewegungen beruht, sondern just auf Statuarik, Schematisierung und Entindividualisierung – Kriterien, die Hans Belting schon für den Ikonenkult als maßgebliche Auratisierungsfaktoren hervorhebt.[42] Damals wie heute ist es die Ferne vom natürlichen Lebensausdruck, die den Betrachter zur projektiven Ergänzung einlädt und damit ein erinnerndes Sehen veranlaßt, das Wunschphantasien freisetzt. Trotz ihres üppigen Busens ist auch Lara Crofts Sympathiewirkung vor allem das Produkt einer organischen Mangelausstattung. Das gepixelte Körperbild und die mechanischen Bewegungen stimulieren die Imagination weit nachhaltiger, als es perfektionierte Simulationen vermögen. Je erkennbarer die Künstlichkeit des Artificial Life hervortritt, um so menschlich anrührender sind seine Funktionen.[43]

Auch angesichts von algorithmisch animierten Kultbildern kann sich in die andächtige Bewunderung profanes Begehren mischen. Ja gerade dieser Aspekt des Pygmalion-Motivs findet im Cybersex eine enorme Verstärkung. Ein exemplarischer Fall der digitalen Anregung zur Statuenliebe ist die Internetwerbung des Sexpuppenherstellers Real Doll. Die Gebilde aus Silikon und Stahl, die nach Kundenwünschen angefertigt werden, hätten wohl wenig Chancen, als Traumfrauen durchzugehen, wenn sie nicht entsprechend inszeniert würden. So wird das Produkt zunächst durch ein Video kontextualisiert, dessen Drehbuch einer kursorischen Ovid-Lektüre entnommen sein könnte: "Max, a man struggling with his sexual confidence with women, breaks up with his long time girl friend Madaline […] and discovers true love and sexual fulfillment in the arms of a Real Doll, which comes to life […] filling his nights with hot sensual pleasures."[44] Um nun dem Kunden glaubhaft zu machen, daß die Puppe der Propoetide überlegen ist, verwendet der Hersteller eine bemerkenswerte ästhetische Strategie: In einer Animationssequenz wird den leblosen Dingern dadurch eine Seele eingehaucht, daß sie – visualisiert per Gitternetz aus Nullen und Einsen – als Produkte einer digitalen Operation dargestellt werden.[45] Diese Art der Beseelung setzt also darauf, daß die Attribute des Digitalen, gerade weil sie als solche unsichtbar und undurchschaubar komplex sind, den Ausdruck des Numinosen annehmen. Die verbreitete Redensart vom "geheimnisvollen Innenleben" der Computer macht deutlich, daß auf diesen Effekt nicht zu unrecht spekuliert wird.

Ein Pionier der Künstlichen Intelligenz, Joseph Weizenbaum, hat sich aufgrund solcher Beobachtungen in einen erschrockenen Kritiker dieser Technologie und ihrer Mythen verwandelt. Sein Dialogprogramm ELIZA simulierte mit einfachen Mitteln einen Gesprächstherapeuten – und schockierte seinen Schöpfer durch sein enormes evokatorisches Potential: Offenbar genügte ein simpler Computercode, um seine Nutzer zu veranlassen, ihm intimste Geheimnisse anzuvertrauen.[46] Auch hier war es eine Leerstelle, die Abwesenheit des Anderen, die die Wunschphantasie eines idealen Partners entfesselte.

Die Weiterentwicklung der Animationstechnik allerdings sorgt dafür, daß auch diese Leerstelle allmählich von einem anderen Sinnesmedium okkupiert wird. George Bernard Shaw hatte das in der Figur der Eliza Doolittle, der Weizenbaum den Namen seines Programms entlehnte, schon antizipiert. In Shaws modernisierter Version der Pygmalionsage besetzt die Phonetik den Ort der piktoralen Leerstelle: Der Linguistikprofessor Higgins sorgt durch Akte der sprachlichen Disziplinierung dafür, daß der individuelle Artikulationsspielraum Elizas allmählich kolonisiert wird.

Auch das Internet beginnt mittlerweile in einer Weise zu tönen, die der Phantasie die Flügel binden kann. Auch hier werden wir zunehmend den Pygmalion-Effekt beobachten können, daß der phonetische Drill den Platz einnimmt, der vorher noch der eigenen Stimme vorbehalten war. Der Netzkunst fällt damit auch im Bereich des Klangs  die Aufgabe zu, neue Leerstellen zu eröffnen.

 

 


Audio

 

Wenn wir nach einer Leerstellentheorie im Bereich der Musik suchen, dann liegt es nahe, sich mit den modernen Tendenzen zur Öffnung musikalischer Strukturen zu beschäftigen. Insbesondere John Cage hatte seine Kompositionstechniken als dezidierte Absage an die Konventionen des musikalischen Gedächtnisses inszeniert und theoretisch begründet. Der radikalste Ausdruck dieser Tendenz ist sein Stück 4'33", in dem kein einziger Ton gespielt wird, das aber gerade dadurch für das Phänomen des Klangs sensibilisieren will. Das musikalische Gedächtnis wird also selbst von dieser absoluten akustischen Leerstelle nicht schlechthin verworfen. Vielmehr handelt es sich um eine Dekonstruktion der kulturell ankonditionierten Hörgewohnheiten und ihrer Aufzeichnungsformen. Der "Klebstoff" der Tonbeziehungen[47] soll aufgelöst werden, um ein anderes Gedächtnis freizusetzen: Die Erinnerung an das Hören als eines anthropologischen Grundphänomens.

Entsprechendes kennt die Musikgeschichte nicht erst seit den Avantgardebewegungen – im Grunde fällt das Aufbrechen von Gedächtniskonventionen zugunsten eines davon verdeckten Erinnerungserlebens mit dem Ursprung der Musik selbst zusammen. Dies läßt sich am Mythos von Orpheus ablesen, der zweifellos die historische Urszene des erinnernden Hörens darstellt.

Orpheus stammt als Sohn der Muse Kalliope in direkter Genealogie von Mnemosyne ab. Unter anderem klagt er so bewegend über den Verlust seiner Geliebten, daß ihr Erinnerungsbild lebendig wird: Er kann Eurydike aus dem Hades zurückholen. Das Verbot des Umblickens taucht zwar erst bei Vergil auf, dürfte aber eine Interpretation älterer Quellen über die Macht der Musik sein, die die sichtbare Welt transzendiert. In Ovids Version der Geschichte heißt es explizit, daß die reanimierte Eurydike solange folgt, wie Orpheus nicht versucht, ihrer im Bild habhaft zu werden – "avidus" (Met. X, 56), also "gierig, habsüchtig" ist das Attribut, mit dem Ovid den tabuisierten Blick charakterisiert. Nur virtuell, als Schatten ist das Erinnerungsbild lebendig.

Wir wissen nicht, wie die Musik geklungen hat, der die Griechen jene Wunderkraft zuschrieben. Wir können es nur indirekt, aus Beschreibungen und Abbildungen, erschließen. Dabei ist ein vorherrschendes Bildmotiv die Wirkung seines Gesangs auf Tiere.[48] Es zeigt an, daß der orphische Klang unmittelbar die Instinkte anspricht. Die Tiere sind, wie Nietzsche das pointiert ausgedrückt hatte, die Meister der Selbstvergessenheit; sie würden diese Fähigkeit auch gerne den Menschen lehren – wenn sie nicht immer gleich vergäßen, was sie sagen wollten.[49]

Der Leerstellencharakter der Orpheus-Klänge offenbart sich also primär im Vergessenmachen der kulturellen Merkzwänge zugunsten der von ihnen überformten Antriebe. Genau dies ist die Funktion der Mnemosyne, wie sie in der ältesten Erwähnung überhaupt, bei Hesiod, charakterisiert wird: In der Theogonie heißt es, scheinbar paradox, die Mutter der Musen habe diese geboren, "damit sie Vergessenheit brächten der Leiden und Ende der Sorgen" (V. 54f.). Mnemosyne bringt zuallererst Lesmosyne, und ihr genuines Medium ist die Musik. Denn sie vermag es besser als alle anderen Künste, die Bewußtseinskontrolle zu umgehen. Der Musensohn Orpheus macht das als erster vor. Die Wirkung seines Kitharaspiels wird immer wieder als hypnotisierend beschrieben – etwa, wenn es die streitbaren Argonauten, ohne daß diese wissen, wie ihnen geschieht, entschlummern läßt[50] , oder eben – wie in der Episode mit Eurydike – die Geister der Unterwelt zu einem ungekannten Erbarmen beim Hören der Klagelaute bewegt.

Der Leerstellencharakter der Orpheus-Klänge ist von der Antike offenbar so gründlich beherzigt worden, daß es bis ins späte 15. Jahrhundert, soweit bekannt, keinen Versuch gab, sich dem Stoff musikdramatisch anzunähern. Polizianos Favola d'Orfeo  riskierte zum ersten Mal, die zeitgenössischen Möglichkeiten der Klangerzeugung an den legendären Überlieferungen zu messen. Doch erst die Begründung einer neuen tonkünstlerischen Gattung konnte diesbezüglich überzeugen: Die Tradition der Oper beginnt 1607 mit Monteverdis Orfeo. Da alle Versuche der Rekonstruktion antiker Musik hochspekulativ bleiben müssen, kann hier erst sinnvoll ein analoger Angelpunkt für den späteren Vergleich mit der digitalen Musik gesetzt werden.

Monteverdi bedient sich eines Kontrasteffekts, um die anamnetische Kraft der Musik zu inszenieren: Zunächst läßt er Orpheus eine Arie singen, die auf ihre Wirkung hin berechnet ist: La Speranza, die Hoffnung, gab ihm den Rat, einen herzöffnenden, schönen Gesang, einen "bel canto", anzustimmen.[51] Mit extrem melismatischen Verzierungen gibt Orpheus in seinem Bittgesang Possente Spirto eine äußerste Probe seiner Kunst. Dabei unterstreichen Echo-Effekte die intendierte Resonanz-Wirkung der Musik, indem sie den Eindruck erwecken, daß die Natur selbst auf den "bel canto" antwortet.

Doch Charon, der so kunstvoll angeflehte Fährmann zur Unterwelt, bleibt völlig unbeeindruckt! Monteverdi demonstriert mit dieser musikdramatischen Pointe, daß es nicht das kunstvolle Dekor ist, das der Musik ihre Macht verleiht. Erst als Orpheus sich selbst und seinen Zuhörer vergißt und – verzeifelt über die Unwirksamkeit seines reich verzierten Bittens – in einen unmittelbareren Gefühlsausdruck übergeht, führt das zum Erfolg.[52] Denn Charon ist kein Kunstkenner; er reagiert nicht interpretativ, sondern physiologisch auf Klänge. Die Macht der Musik zeigt sich an ihm im Modus einer hypnotischen Überwältigung: Gegen seinen Willen schläft er ein und gibt so den Weg zum Hades frei.

Die Musikgeschichte hat eine Fülle an Versuchen hervorgebracht, diese Zauberwirkung mit den jeweiligen tonalen Mitteln der Zeit zu plausibilisieren. Doch nie wurde so unmittelbar auf den archaischen Kern des Orpheus-Mythos, die Trance-Induktion durch Klangfarben und Rhythmen, gezielt, wie im Umkreis der Technomusik und ihren Derivaten.[53] Hat die Digitaltechnik eine besondere Affinität zur akustischen Anamnesis?

Wer im Internet nach "Orpheus" sucht, wird ihn als Namenspatron für diverse Produktions-Label und Titel elektronischer Musik bemerkenswert häufig vertreten finden.[54] Die Bezugnahme auf die mythische Überlieferung vollzieht sich auch hier im Modus einer digitalen Amplifikation. So versteht sich etwa der Trance-Techno-Track Engines of Orpheus von EtherGun als Rückgriff auf die "true legend of Orpheus, undistorted by the Greek mythologists".[55] Der radikalisierende Rekurs auf vorästhetische Ursprünge verfolgt wie ehedem die Intention, den Wachzustand des Alltags vergessen zu machen, damit eine Erinnerung präkognitiver Wahrnehmungsschichten möglich wird. Diese Art der Anknüpfung andie Orpheus-Legende wird durch das Equipment digitaler Klangproduktion in idealer Weise unterstützt. Es bietet alle Möglichkeiten zur Erzeugung akustischer Effekte, die Musikpsychologen als besonders trancefördernd auflisten. Dazu gehören die litaneienhafte Monotonie repetitiver Strukturen, der geringe Melodieumfang, der Schalldruck sehr tiefer und lauter Töne sowie Schwingungen und Rhythmen zwischen 4 und 13 Hertz, die im Gehirn eine dominante Alpha-Theta-Aktivität hervorrufen – was dem Zustand tiefer Hypnose entspricht.[56]

Dem kunstsinnigen Vorbehalt, daß Techno ein nervtötendes Gewummer sei, ist entgegenzuhalten, daß auch von Orpheus berichtet wird, er habe so laut gespielt, daß "allen die Ohren vom brausenden Spiele erdröhnten" (Argonautika I, 540). Den Idealtyp von Techno kann man nicht hören, man muß ihn spüren, den Körper von der Musik forttragen lassen, mit dem Ziel einer vollständigen Dissoziation vom Alltagsbewußtsein. Auch hier also wird der "Klebstoff" musikalischer Konventionen aufgelöst. Insofern eröffnet gerade das Dröhnen der Bass Drum eine absolute musikalische Leerstelle.

Was diese allerdings von ihren analogen Vorläufern unterscheidet, ist ihr indifferenter Bezug auf das musikalische Gedächtnis. Beim Sampling ist alles erlaubt, was berauschende Geräusche macht. Während in Monteverdis Kontrast-Arrangement oder noch im Schweigen von Cage der Konzertbetrieb qua bestimmter Negation präsent bleibt, ist das Ideal von Techno das reine Vergessen, ohne Bewußtsein dessen, wovon es sich ablöst. Die musikalische Erinnerungstechnik schlägt auf ihrem technologischen Höhepunkt in reinen Präsentismus um. "Es gibt kein gestern im Leben der Nacht", schreibt Rainald Goetz in seinem Roman Rave[57] , den ein erschrockener Kritiker als vielfach variierte "Fanfare der Anti-Erinnerung" charakterisiert.[58]

Selbstverständlich ist diese Sicht auf die Techno-Variante orphischer Mysterien eine grobe Vereinfachung. Aus dem innersten Bereich dieser Musik gehen auch Gegentendenzen hervor. So operieren die mittlerweile hochdifferenzierten Verfahren des Sound-Sampling mit akustischen Allusionen, die an früher Gehörtes erinnern, ohne daß es genau identifiziert werden kann. Wolfgang Voigt etwa erzeugt in seiner Produktion Königsforst aus vielfach "geloopten" Wagner- und Debussyfragmenten ein technologisches Waldesrauschen, das sich wie eine wehmütige Klage über den Verlust der abendländischen Musikkultur ausnimmt.[59]

Doch das sind Ausnahmen, die nur die Regel bestätigen, auf die sie in selbstreferentieller Distanznahme rekurrieren. Im Internet wird sich dank zunehmend optimierter Übertragungs- und Kompressionsverfahren der Trend zur auditiven Amnesie weiter durchsetzen. Der Acoustic Cyberspace der Zukunft, schreibt Eric Davis, wirkt "more viscerally than […] any of the far more sophisticated visually-based virtual reality installations"; er verschafft den Konsumenten eine "incredibly powerful immersive experience".[60] Immersion aber, das Eintauchen in das Medium, ist eine Rezeptionsform, die jede ästhetische Erfahrung unterläuft. Mensch und Maschine werden eins. Die akustische Leerstelle verschwindet in ihrer Totalisierung.

Demnach finden wir auch im Bereich der Musik die Tendenz, daß beim Übergang von der analogen zur digitalen Leerstelle deren evokatorisches Potential durch Übererfüllung paralysiert wird. Allerdings ist dieser Effekt, wie wir gesehen haben, nicht zwangsläufig. Die neuen Medien bieten ihm lediglich optimierte Fazilitäten. Unser Resumee fällt daher ambivalent aus:

 

 

Intermedia

 

Auf der einen Seite neigen digitale Medien dazu, ästhetische Leerstellen durch die technische Realisierung des Virtualitätsangebots, das sonst als Erinnerungsanlaß fungierte, zu besetzen. Die Multimedia-Technologie sorgt zudem durch Verfransung und Einschmelzung der traditionell getrennten Sinnesbereiche in das Universalmedium Computer dafür, daß sie sich auch gegenseitig ihre Leerstellen nehmen. Wie wir gesehen haben, wird die Leerstelle im Text durch das Bild okkupiert, die im Bild durch den Klang und die im Klang schließlich durch sich selbst, indem sie den Bezug auf ihr anderes preisgibt: Intertextuelle, interpiktorale, intertonale Sphären ästhetischer Erfahrung scheinen also im Computerzeitalter von digitalen Lückenfüllern zumontiert zu werden.

Andererseits gibt es nicht den geringsten Grund, daran zu zweifeln, daß eben diese Tendenz der Digitaltechnik durch eine selbstreflexive Verwendung umgekehrt werden kann. So wie die analoge Kunst ihre Hypomnemata gegen sich selbst zu wenden gelernt hatte, so vermag auch die digitale Kunst aus ihren hypermedialen Speichern neue Leerstellen hervorzutreiben. Belege hierfür bietet die gegenwärtige Netzkunst durchaus. Das soll hier nicht weiter exemplifiziert werden, da es im vorliegenden Zusammenhang nur um die Klärungen einiger Voraussetzungen für digitale Kunst ging. Sie liegen, formelhaft resümiert, im Übergang von der Multimedialität zur Intermedialität. Darunter verstehe ich eine kontrastierende Bezugnahme der drei Informationsträger Schrift, Bild und Klang aufeinander, die Zwischenräume einer desinformativen Schwellenerfahrung eröffnet und dadurch spontane Erinnerungen freisetzt.[61]

Die Antwort auf unsere Ausgangsfrage ist damit so zu beantworten: Auch digitale Medien können Leerstellen eröffnen, die als Erinnerungsanlässe fungieren. Auf der Ebene eines Source Codes ist ihre Hervorbringung nicht etwa eine anspruchsvollere Aufgabe als im Bereich des Interface-Design, sondern geradezu trivial. Sie zeigen sich in der höchst wahrscheinlichen Form des Systemfehlers. Um sich als imagines agentes von existentiell höchst eindringlicher Evokationskraftzu erweisen, genügen Absturzmeldungen wie diese: "Es werden einige Daten von der (Unbekannt) benötigt. Legen Sie die (Unbekannt) in das unten ausgewählte Laufwerk ein, und klicken Sie dann auf 'OK'." Wer sich in solchen Situationen schon einmal vom Verlust einer größeren Arbeit bedroht gesehen hat, wird allen Anlaß haben, sich seiner schöpferischen Quellen zu erinnern. Insofern ist es verständlich, daß sich Linus Thorvalds bei der Entgegennahme des Prix Ars Electronica für "Linux" bescheiden gab: "Es ist nicht leicht, ein künstlerisches Statement über ein Betriebssystem zu formulieren. Auch wenn ein Betriebssystem ein Kunstwerk sein kann (ich bin natürlich der Meinung, daß Programmieren eine künstlerische Komponente besitzt), ist ein Betriebssystem an sich nicht sehr kunstvoll."[62]

 

 


 

Literatur

 

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[1] Der Untertitel bezeichnet ein Habilitationsprojekt, das der hier abgedruckte Vortrag überblicksartig vorstellt. In meinem Vortrag hatte ich die angesprochenen Phänomene durch multimediale Präsentationen exemplifiziert, die im Druck wegfallen mußten. Vgl. aber meinen Multimedia-Essay unter peter-matussek.de/GK/index.html.

[2] CD-ROM Paris 1997.

[3] www.imaginet.fr/nomemory/

[4] www.icf.de/without_adresses

[5] kultur.aec.at/lab/futureweb/german/prix/prix/jury/99www.html.

[6] "Open Source" bedeutet, daß der Quellcode, anders als bei kommerzieller Betriebssystem-Software üblich, einsehbar ist und jeder (programmierfähige) Benutzer ihn nach Bedarf verbessern kann. Durch die Zusammenarbeit zahlreicher Linux-Anhänger im Internet hat das Produkt schon in kurzer Zeit eine Optimierung erfahren, die selbst große Softwarefirmen kaum bewerkstelligen können. Damit stellt es in der Tat eine potentielle Bedrohung für die Industrie dar.

[7] Die Mail wurde unter dem Account von Marleen Stikker am 5.9.99 über die "nettime"-Liste verschickt.

[8] Vgl. Armin Medosch: www.heise.de/tp/deutsch/inhalt/sa/3424/1.html (13.10.1999).

[9] Pat Binder via forum1@herz.kbx.de am 13.10.1999.

[10] Walter Benjamin: Kleine Geschichte der Photographie. In: Gesammelte Schriften, Bd. II.1; Frankfurt/M. 1980, S. 368–385, hier S. 376.

[11] Hübsch anzusehen ist etwa das animierte "Full Body Aura Image" auf www.aura.net/aimlive.htm.

[12] Daß dabei freilich Umdeutungen im Spiel waren, hat Stefan Goldmann deutlich herausgearbeitet: "Statt Totenklage Gedächtnis. Zur Erfindung der Mnemotechnik durch Simonides von Keos". In: Poetica 21 (1989), S. 43–66, hier S. 65.

[13] So begründet etwa Friedrich Georg Jünger seine Zweifel an der Überlieferung, Simonides habe die Mnemonik erfunden, mit dem Argument: "Daß ein Dichter Neigung zu einem solchen Geschäft haben könnte, ist unwahrscheinlich; Dichter heißt er ja eben deshalb, weil er nicht den erlernbaren Kunstgriffen der Mnemo­nik folgt, durch die Gedachtes zurückgerufen wird, sondern der Mnemosyne selbst, welche die Göttin des Erinnerns und, als solche, die Mutter der Musen ist. Die Mnemonik bezieht sich aber nur auf das Gedächtnis, nicht auf die Erinnerung" [Gedächtnis und Erinnerung; Frankfurt/M. 1957, S. 8].

[14] Jacques Derrida: Mémoires. Für Paul de Man; Wien 1988; S. 64.

[15] Wolfgang Iser: Der Akt des Lesens. Theorie ästhetischer Wirkung; München 1976, S. 267ff.

[16] Vgl. Wolfgang Kemp: Verständlichkeit und Spannung. Über Leerstellen in der Malerei des 19. Jahrhunderts. In: ders. (Hg.): Der Betrachter ist im Bild. Kunstwissenschaft und Rezeptionsästhetik; Berlin Hamburg 1992, S. 307-333. – Boehm, Gottfried: Sehen. Hermeneutische Reflexionen. In: Konersmann, Ralf (Hg.): Kritik des Sehens; Stuttgart 1997, S. 272-299, hier S. 292f. – Branigan, Edward: Narrative Comprehension and Film; New York 1998, S. 15f u. 223.

[17] Iser (s. Anm. 15), S. 284.

[18] Henri Bergson: Materie und Gedächtnis. Eine Abhandlung über die Beziehung zwischen Körper und Geist; Hamburg 1991, S. 95.

[19] Iser (s. Anm. 15), S. 177ff.

[20] Isers Konzept orientiert sich am polyperspektivischen Roman des 19. Jh., den er ausdrücklich von der "platonisierenden Korrespondenz, die das Werk als Erscheinung einer repräsentativen Bedeutung faßt", abhebt [Iser (s. Anm, 15), S. 29]. Daß gerade Platon als Autor nicht in dieser Weise "platonisiert", geht aus den folgenden Darlegungen hervor.

[21] Jan Assmann: Hypolepse – Schriftkultur und Ideenevolution in Griechenland. In: ders.: Das kulturelle Gedächtnis. Schrift, Erinnerung und politische Identität in frühen Hochkulturen; München 1992, S. 280–292.

[22] Vgl. Peter Matussek: "Hypomnemata und Hypermedia. Erinnerung im Medienwechsel: die platonische Dialogtechnik und ihre digitalen Amplifikationen". In: Medien des Gedächtnisses. Sonderband der Deutschen Vierteljahrsschrift für Literaturwissenschaft und Geistesgeschichte 1998, S. 264–278.

[23] Vgl. Eric A. Havelock: Preface to Plato; Cambridge London 1963. – Walter J. Ong: Oralität und Literalität. Die Technologisierung des Wortes; 2. Aufl. Opladen 1987, S. 83.

[24] Ulrich von Wilamowitz-Moellendorff: Platon; Berlin 1919, Bd. I, S. 389.

[25] J. David Bolter: Writing Space. The Computer, Hypertext, and the History of Writing; Hillsdale (NJ) 1991. Die Hypertextversion kann als Download bezogen werden über www.culture.hu-berlin.de/PM/Sam/Leg/Writing_Space.sit.

[26] David Kolb: "Socrates in the Labyrinth". In: Landow, George P. (Hg.): Hyper/Text/Theory, Baltimore, London 1994, S. 323–344, hier S. 326. – Hypertext-Version bei Eastgate Systems; Cambridge 1995.

[27] www.dfw.net/~sherrin/plato.htm.

[28] Sybille Krämer spricht in diesem Zusammenhang von der "Exteriorisierung einer Intertextualität, […], welche den herkömmlichen Texten implizit blieb" ("Vom Mythos 'Künstlliche Intelligenz' zum Mythos 'Künstliche Kommunikation' oder: Ist eine nicht-anthropomorphe Beschreibung von Internet-Interaktionen möglich?" In: Münker, Stefan: Mythos Internet; Frankfurt/M. 1997, S. 83–107, hier S. 100).

[29] Norbert Bolz: Am Ende der Gutenberg-Galaxis; 2. Aufl. München 1995, S. 207.

[30] Bernd Wingert / Knud Böhle / Ulrich Riehm: "'TRO'. prototype – test – exit". In: Hartwagner, Georg / Iglhaut, Stefan / Rötzer, Florian (Hg.): Künstliche Spiele; München 1993, S. 144–166, hier S. 164f. – vgl. Umberto Eco: Afterword.In: Geoffrey Nunberg (Ed.): The Future of the Book; Belgien 1996, S. 295–306, hier S. 302ff.

[31] Vgl. ergänzend zum folgenden Peter Matussek: "Der selbstbezügliche Blick. Ein Merkmal des erinnernden Sehens und seine medialen Metamorphosen". In: Zeitschrift für Germanistik 3 (1999), S. 637–654.

[32] Aleida Assmann: "Die Sprache der Dinge. Der lange Blick und die wilde Semiose". In: Gumbrecht, Hans Ulrich / Pfeiffer, K. Ludwig (Hg.): Materialität der Kommunikation; Frankfurt/M. 1988, S. 237–251, hier S. 240ff.

[33] Denis Diderot: "Salon von 1763". In: Ästhetische Schriften, übers. v. F. Bassenge und T. Lücke; Frankfurt/M. 1968, Bd. 1, S. 440.

[34] "[…] und indem sich so ein Haupt voll von Majestät und Weisheit vor meinen Augen erhebet, so fangen sich an in meinen Gedanken die übrigen mangelhaften Glieder zu bilden: es sammlet sich ein Ausfluss aus dem Gegenwärtigen und wirket gleichsam eine plötzliche Ergänzung." Winckelmann, Johann Joachim: Beschreibung des Torso im Belvedere im Florentiner Manuskript. In: ders.: Kleine Schriften, Vorreden, Entwürfe, hg. v. Walther Rehm; Berlin 1968, S. 281.

[35] Zit. nach Kemp (s. Anm. 16), S. 330.

[36] Andere sind ihm inzwischen gefolgt: Vgl. Anm. 16.

[37] Kemp (s. Anm. 16), S. 316ff.

[38] Freilich liegt diese Wahrnehmung vor dem eigentlichen Animationsakt durch Venus. Doch auch als die Elfenbeinfigur schließlich von der Gottheit in einen Menschen aus Fleisch und Blut verwandelt wird, ist Scham ihr primäres Lebenszeichen: "Die Jungfrau fühlte die Küsse,/ und sie errötete" (292ff).

[39] Georg Wilhelm Friedrich Hegel: Vorlesungen über die Ästhetik II. In: Werke in zwanzig Bänden; Frankfurt/M. 1995, Bd. 14, S. 255.

[40] Vgl. Heinrich Dörrie: Pygmalion, Ein Impuls Ovids und seine Wirkung bis in die Gegenwart; Opladen 1974. – Andreas Blühm: Pygmalion. Die Ikonographie eines Künstlermythos zwischen 1500 und 1900; Frankfurt/M. u.a. 1988.

[41] Von Fanmagazinen ebenfalls gerne in der Pudica-Pose gezeigt: S. Lara Croft Magazin 1 (1999), S. 92.

[42] Hans Belting: Bild und Kult. Eine Geschichte des Bildes vor dem Zeitalter der Kunst; München 1990, S. 92f u. ö.

[43] Ein Beispiel für diesen Leerstellen-Effekt ist die "infant-caretaker"-Interaktion des am MIT entwickelten Roboters "Kismet" mit seiner Schöpferin: www.ai.mit.edu/projects/kismet/.

[44] www.realdoll.com/movie.html.

[45] www.realdoll.com/cool/flash.html.

[46] Joseph Weizenbaum: Die Macht der Computer und die Ohnmacht der Vernunft; Frankfurt/M. 1978, S. 15ff.

[47] Heinz-Klaus Metzger: Versuch über prärevolutionäre Musik. Begleitheft zur Schallplatte Music before Revolution. Zitiert in Matthias Fuchs: "Total recall - Erinnern und Vergessen in der Musik". In: Kunstforum 127 (1994), S. 170–175.

[48] Vgl. Max Wegner: "Orpheus". In: Musik in Geschichte und Gegenwart, Bd. 10, hg.v. Friedrich Blume; Kassel u.a.1962, Sp. 410–418. – John Block Friedman: Orpheus in the Middle Ages; Cambridge (Mass.) 1970. – Lexicon Iconographicum Mythologiae (LIMC). 7 Bde. Zürich 1991ff, Bd. VII.1.

[49] Friedrich Nietzsche: "Unzeitgemäße Betrachtungen. Zweites Stück: Vom Nutzen und Nachtheil der Historie für das Leben". In: Sämtliche Werke. Kritische Studienausgabe, 15 Bde. Hg. v. Giorgio Colli u. Mazzino Montinari; München Berlin New York 1988, Bd. 1, S. 243–334, hier S. 248.

[50] Apollonius Rhodius: Argonautika I, 518.

[51] Zu Beginn des 3. Akts. Freilich hat diese Aufforderung nichts mit dem erst im 19. Jh. aufkommenden "Belcanto"-Gesang zu tun, sondern markiert den Beginn der Opernarie.

[52] Vgl. zu dieser These Klaus Theweleit: Buch der Könige. Bd. 1: Orpheus und Eurydike; Frankfurt/M. 1995, S. 570.

[53] Vgl. ausführlich hierzu Peter Matussek: "Berauschende Geräusche. Akustische Trancetechniken im Kulturvergleich". In: Katja Stopka / Andreas Hiepko (Hg.): Rauschen. Seine Phänomenologie zwischen Sinn und Störung; Würzburg 2001 [im Druck].

[54] Die Bandbreite reicht von Rock- und Jazz-Produktionen wie Orpheus Express von Japanic (www.japanic.net/redbook.html) und Orpheus Drive von Gavin Stokes (www.purplex.co.nz/gs/continuum.html) über Death-Metal- und Game-Soundtracks wie die Orpheus-Tracks von Umbah (artists.mp3s.com/artist_song/522/522805.html) und Above the Garage (www.atgp.com/orpheus.mid) bis hin zu den Techno-Stilrichtungen House, Ambient, Drum N' Bass und Trance ­–vertreten etwa durch Orpheus Synthony No. 2 von Neil Duddridge (www.musicman.co.uk/audio.html) Orpheus von CreamClub2200 (artists.mp3s.com/artist_song/697/697241.html), Morpheus in der Unterwelt von Thomas Rehm (artists.mp3s.com/artist_song/473/473337.html) und Engines of Orpheus von EtherGun (artists.mp3s.com/artists/cds/45/45171_qb1.html).

[55] artists.mp3s.com/artist_song/796/796907.html.

[56] Vgl. Andrew Neher: "A Physiological Explanation of Unusual Behavior in Ceremonies Involving Drums". In: Human Biology 34 (1962), pp. 151–160. – Rudolf Maria Brandl: "Musik und veränderte Bewußtseinszustände". In: Herbert Bruhn / Rolf Oerter / Helmut  Rösing (Hg.): Musikpsychologie. Ein Handbuch; 3. Aufl. Reinbek bei Hamburg 1997, S. 599–610. – Thomas Koch: "Trance". In: Philipp Anz / Patrick Walder (Hg.): Techno; Zürich 1995, S. 101–105.

[57] Rainald Goetz: Rave. Erzählung; Frankfurt/M. 1998, S. 229.

[58] Ingo Arend: "Bis früh um fünfe süße Maus... Im 'Rave'-Rausch. Rainald Goetz tanzt zwischen Ironie und Verklärung".In: Freitag, 24.4.1998, S. 13.

[59] Gas: Königsforst; Mille Plateaux 2000.

[60] nettime, 22.4.1998, figment@sirius.com.

[61] Vgl. Peter Matussek: "Lautschriftbild. Vom Glück des Stolperns über Medienschwellen". In: Nicholas Saul / Daniel  Steuer / Frank Möbus / Birgit Illner (Hg.): Schwellen. Germanistische Erkundungen einer Metapher; Würzburg 1999, S. 369–382.

[62] http://kultur.aec.at/lab/futureweb/german/prix/prix/1999/projects/99net_01.html.