Peter Matussek

Medienästhetik des Klangs

4. Hörerzentrierte Klangforschung

4.3.7 Schweigen

John Cage: 4'33" (1952)


 

John Cage über das Schweigen

4.3.7 Schweigen

Die zunehmende Fokussierung auf Leerstellen in der musikalischen Avantgarde musste irgendwann ein Stück hervorbringen wie John Cage es 1952 mit 4'33" hervorbrachte – ein Dreisatz-Stück, in dem kein einziger Ton gespielt wird.

Der traditionell musikwissenschaftliche Ansatz der Motivanamnese muss an diesem Stück versagen, da es weder ein Motiv noch die bestimmte Negation eines Motivs gibt. Auch mit der Erwartungsdiskrepanzanalyse käme man nicht weit, da sich der pauschale Bruch mit jeglicher Hörerwartung bereits zu Beginn des Stücks einstellt und für dieses selbst in seiner Gesamtkomposition ästhetisch belanglos bleibt.

Erst wenn man den im engeren Sinne musikwissenschaftlichen Fokus öffnet und den situativen Kontext in die Analyse einbezieht, werden Beobachtungen möglich, die jeder Aufführung Interessantes abgewinnen können, ganz unabhängig vom rasch verbrauchten Überraschungseffekt.

Die Aufführung des ursprünglich für Piano geschriebenen Stücks durch das BBC-Orchestra unter Lawrence Foster (2010#) demonstriert, dass seine Wirkung auf dem Erlebnisgehalt der konkreten Situation beruht, nicht auf der Komposition als solcher. Dieser Erlebnisgehalt resultiert daraus, dass die Zuhörer mangels fehlender Darbietung von Tönen auf den Vorgang des Zuhörens selbst aufmerksam werden, der sich je nach konkretem Setting (bestimmter Konzertsaal, Musiker an bestimmten Instrumenten) unterschiedlich gestaltet. So hören zwar keine Töne, wohl aber den Sound dieser ganz bestimmten Stille.

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SprechblaseSprechblase
Fragezeichen