Peter Matussek

Medienästhetik des Klangs

4. Hörerzentrierte Klangforschung

4.1.10 Reminiszenz

Gustav Mahler: Symphonie Nr. 4, Ende 2. Satz

Quelle: Symphonie-Orchester des Bayerischen Rundfunks, Rafael Kubelik (Leitung); Deutsche Grammophon 1968.

4.1.10 Reminiszenz

Als Reminiszenz (von lat. reminiscere = sich erinnern) bezeichnet man eine vage oder bruchstückhafte Erinnerung.

Unser Beispiel aus dem 2. Satz der 4. Symphonie Mahlers bietet Reminiszenzen unbeschwerter Kindheit mit ihrem typischen Lärmfeld von Topfschlagen und Kriegsspiel mit Bleisodaten, die im musikalischen Kontext zwar immer wieder durchdringen, aber bruchstückhaft, wie Erinnerungsfragmente einer verlorenen Zeit.

Adorno (1960) formuliert das so:

Unter den Kinderbildern von Mahlers Musik fehlt nicht die verwehende Spur von Musikzügen, die fern aufblitzt und mehr verheißt, als sie je in betäubender Nähe bringt; unwillkürlich erinnert, klingen die Märsche, die einst Zwang ausübten, bei Mahler wie Träume von ungeschmälerter Freiheit. […] Wer aber auf Märsche den Besitztitel anmeldet wie einst auf seine Bleisoldaten, dem öffnet sich das Tor ins Unwiederbringliche. Kaum ist das Entrée billiger als der Tod. Mahlers Musik ist wie Eurydike aus dem Totenreich entführt. Nicht nur im zweiten Satz der Vierten überblenden sich die Bilder des Kindes und des Todes. Dämmert über Äonen die Sprache auf, die man als Kind verstand, so ist das Glück, abermals sie zu sprechen, gekettet an den Verlust von Individualtion. (205)

 

 

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