Peter Matussek

Medienästhetik des Klangs

4. Hörerzentrierte Klangforschung

4.1.5 explizites Zitat

Wolfgang Amadeus Mozart: Don Giovanni (1787). 2. Akt., Finale II, Nr. 24

4.1.5 explizites Zitat

In der finalen Bankettszene seiner Oper Don Giovanni (1787) zitiert Mozart kurz hintereinander drei bekannte Opern seiner Zeit:
• Martín y Soler: Una Cosa Rara (1786),
• Giuseppe Sarti: Fra due litiganti il terzo gode (1782) und
• W. A. Mozart: Le nozze di Figaro (1786).

An diesem Beispiel lassen sich gleich mehrere rezeptionsästhetische Effekte expliziter Zitate verdeutlichen, die erstaunlich modern anmuten:

Zum einen führt Mozart hier vor, wie auditive Stimmungsregulierung (heute würde man sagen: "Mood-Management") funktioniert: Don Giovanni will ein rauschendes Fest feiern und heuert ein Orchester an, das populäre zeitgenössische Opernmelodien zum Besten gibt. Das damalige Auditorium, das die Stücke gut kannte und liebte, wurde damit einerseits in eine intensivierte Identifikationshaltung mit dem unmoralischen Protagonisten gezogen.

Indem Mozart schließlich sich selbst zitiert – mit einem Thema aus seiner jüngsten Oper Figaros Hochzeit – durchbricht er zugleich diese Identifikationshaltung. Die Ironie, dass die Figur einer Mozart-Oper sich an eine Mozart-Oper erinnert (Leporello: "Das ist ja aus dem Figaro von Mozart!"), ist nicht nur ein lustiger Gag, sondern auch eine dramaturgisch stimmige Pointe, die in ähnlicher Weise eine reflexive Distanz zum Geschehen schafft, wie sie Bertold Brecht später in seinem Konzept des Epischen Theaters durch den "Entfremdungseffekt" hervorruft.

Mozarts Verwendung expliziter Zitate greift durch ihre ambivalente Spannung zwischen identifikatorischen und reflexiven Wirkungsaspekten auf die gegenwärtige Remix-Kultur und ihre Sampling-Techniken voraus, deren ästhetisches Faszinosum in eben dieser Spannung besteht (vgl. 4.1.13).

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