Peter Matussek

Medienästhetik des Klangs

2. Psychologie des Hörens

2.2.2 Kurzzeit- bzw. Arbeitsgedächtnis

Auswendiglernen durch Wiederholungen in "Drei-Sekunden-Fenstern"

Quelle: Altenmüller (2012): 20 (modifiziert, PM).


Überschreitung der Gedächtnisspanne

   Eric Satie: Gymnopédie #1, gespielt von Aldo Cicciolini. Tonquelle: Youtube.

2.2.2 Das auditive Arbeitsgedächtnis

Wenn die im phonologischen oder musikalischen "Memory Loop" des auditiven Kurzzeitgedächtnisses präsent gehaltene Information ein ausreichendes Maß an fokussierter Aufmerksamkeit erlangt (durch willkürliche Konzentration und/oder starke Affekte), gelangt sie in das auditive Arbeitsgedächtnis.

Auch dieses arbeitet nach dem Prinzip der Wiederholung, nun aber nicht der automatischen wie beim auditiven Kurzzeitgedächtnis, sondern der bewusst einprägenden Wiederholung. (Deshalb bringt es auch nichts, wenn man einen Lernstoff einfach nur mechanisch, bei geringer Aufmerksamkeit, immer wieder durchliest.)

Bei Kinderliedern, die darauf angelegt sind, leicht erlernbar zu sein, hat dieses Merkprinzip zu bestimmten Strukturen geführt, die eine Folge von wenigen Tönen innerhalb des "Drei-Sekundenfensters" zunächst wiederholen, bevor die Melodie weitergeführt wird.

Im oberen Beipiel ("Hänschen klein") ist das mustergültig realisiert: Drei Tönen werden höhenversetzt wiederholt und bilden ein Motiv a, gefolgt von einem Motiv b, dann wird diese Phrase (Hauptteil A) selbst noch einmal wiederholt. Es folgt eine Variation von Motiv b, die ebenfalls höhenversetzt wiederholt wird (Mittelteil B). Schließlich wird der Hauptteil A noch einmal komplett wiederholt. Auf diese Weise prägt sich das Lied sofort gut ein.

Freilich weisen fast alle musikalischen Werke Wiederholungsstrukturen auf. Der Grund hierfür ist aber nicht ausschließlich die bessere Einprägsamkeit, sondern der ästhetische Lustgewinn, der durch ein Wechselspiel von Erinnern und Vergessen erzeugt wird (vgl. 3.2.4).

So sind in dem Stück von Eric Satie (unteres Beispiel) die Wiederholungen der melodischen Motive (in der Grafik durch Farbgleichheit markiert) nicht leicht als solche zu erkennen, da sie länger sind als das "Drei-Sekunden-Fenster". Dass das Stück aus zwei Hälften besteht, die fast exakt wiederholt werden, erschließt sich um so weniger leicht beim ersten Anhören.

2.2.2 Das auditive Kurzzeit- bzw. Arbeitsgedächtnis2.2.2 Das auditive Kurzzeit- bzw. Arbeitsgedächtnis
SprechblaseSprechblase
Fragezeichen