Peter Matussek

Medienästhetik des Klangs

9. Automatisierung der Klangproduktion

9.3.1 MIDI (Roland 1982)

MIDI=Musical Instrument Digital Interface

9.3.1 MIDI (1982)

Das MIDI-Protokoll wurde ursprünglich zur Kommunikation von Synthesizern unterschiedlicher Hersteller entwickelt. Der eigentliche Sinn war, von einer Tastatur eines Synthesizers aus weitere Synthesizer anzusteuern. Davor konnten Synthesizer nur analog und mit großem Verkabelungsaufwand verbunden werden.

Zu der damaligen Zeit hatten die Synthesizer nur wenige Stimmen, d. h. sie konnten meist nur 4–8 Töne gleichzeitig erzeugen. Trotz einer gewissen Soundauswahl konnte kein Gerät mehr als einen Sound gleichzeitig erzeugen. Wollte man also zwei oder mehrere Sounds mit einem Tastendruck spielen, musste man zwei Geräte mit einer Tastatur verkoppeln. So konnte man unterschiedliche Sounds übereinanderlegen, um z. B. einen „dickeren“ Synthesizerstreicherklang zu bekommen oder Synthesizerstreicher mit Synthesizerbläsern zu kombinieren.

Das war nun mit der Verbindung über ein einzelnes MIDI-Kabel möglich, indem der MIDI-Out des Hauptgerätes mit dem MIDI-In des angesteuerten Gerätes per 5-poligem MIDI-Kabel verbunden wurde (wobei nur drei Pole genutzt werden). Da die Audiosignale der verschiedenen Synthesizer keine MIDI-Steuerdaten sind, müssen diese über zusätzliche Leitungen einem Mischpult zugeführt werden.

MIDI trennte auch gleichzeitig die Tastatur eines Synthesizers von seiner Klangerzeugung, was natürlich die Einsatzmöglichkeiten eines Instrumentes massiv erhöhte: Denn so war es auch möglich, eine Tastatur aufzuteilen (splitten) und die Tastaturbereiche auf verschiedene Synthesizer zu verteilen. So konnte der Keyboarder z. B. mit dem linken Tastaturbereich einen Streicherklang mit einem angesteuerten Synthesizer und mit der rechten Hand einen Solo-Synthesizerklang mit dem lokalen Gerät spielen.

Schnell wurde die MIDI-Schnittstelle für fast jede Art an elektronischen Musikinstrumenten adaptiert, so z. B. für Expandermodule, Sampler, Drumcomputer, Effektgeräte (Hall, Echo, Equalizer usw.), Hardwaresequencer (Aufnahme- und Abspielgeräte für MIDI-Daten), Computer, Controller (wie Masterkeyboards, Drum-Pads, Masterkeyboardcontroller, Standard-Midi-File-Player, Fader-Boxen, später auch für Sound- und Audiokarten usw.), nicht zuletzt auch - zweckentfremdet - zur Steuerung von Lichteffekten für Bühnen (MIDI Show Control).

Der Einsatz von Computern in der Tonstudiotechnik gab MIDI einen weiteren Schub. So konnte der wenig versierte Keyboarder mit Hilfe eines Hardwaresequencers bzw. des Computers und eines Sequencerprogrammes komplexe, schwierige oder gar manuell unspielbare Musikstücke erstellen, weil er die Midi-Daten im Sequencer verändern und korrigieren konnte. Dadurch, dass nur die Steuerdaten gespeichert werden, kann der Sound auch nach einer Aufnahme im Sequencer jedes Mal neu ausgetauscht werden. Das ergab völlig neue Möglichkeiten - auch für versierte Musiker und hat Auswirkungen auf die Produktionsweise von Musik bis heute:

Komposition, Arrangement und Notensatz wurden durch die Verbindung von MIDI-fähigem Keyboard und Computer erheblich vereinfacht. Variationen von Stimmen und Songabläufen sind sehr schnell realisierbar und bleiben jederzeit änderbar. Diese Zeitersparnis ist u. a. bei Studioproduktionen ein wichtiger Faktor. Der Komponist greift oft zwar auf das Hilfsmittel Computer zurück und editiert sein Konzept direkt über Software, viele Stimmen werden jedoch nach wie vor über eine Klaviertastatur bzw. ein Masterkeyboard eingespielt.

Mit speziellen Wandler-Geräten kann man aus den Tönen beliebiger akustischer Instrumente wie Gitarre oder Saxophon auch MIDI-Daten erzeugen. Dabei muss aus einem komplexen Klangmuster die gespielte Tonhöhe ermittelt werden, was, abhängig vom Instrument und der Spielweise, bald an Grenzen stößt. Bei einer Gitarre z. B. muss interpretiert werden, ob ein Ton durch einen Bundwechsel oder Ziehen einer Saite entstanden ist. Aber für viele Anwendungen ist das nicht erforderlich, und so kann man mit einem akustischen Instrument und einem über MIDI angeschlossenen Synthesizer oder Sampler völlig andere Sounds in Kombination oder eigenständig erzeugen.

In den 2000er Jahren, als der Speicher in Mobiltelefonen noch knapp war, benutzte man das MIDI-Format auch für Klingeltöne.

9.3.1 MIDI (Roland 1982)9.3.1 MIDI (Roland 1982)
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