1.1 Die Scheinbarkeit der Bewegungswahrnehmung

1.1.1 Warum Zauberer uns täuschen können

Das obere Beispiel aus dem Film „The Prestige“ zeigt einen dieser Tricks, die eine Gesetzmäßigkeit unserer Bewegungswahrnehmung ausnutzen: Beim dritten Mal wird der Ball nur scheinbar hochgeworfen, aber unser Gehirn konstruiert aus den typischen Begleitumständen (Wiederholung, Blickführung, Handbewegung) eine neuerliche Bewegung, die wir mit unseren Augen zu sehen glauben. Der untere Film zeigt, dank eines Missgeschicks des Zauberers, wo der Ball sich tatsächlich befand.

Die Gesetzmäßigkeit unserer Bewegungswahrnehmung, die hier ausgenutzt wird, besteht darin, dass unsere Augen jeweils nur einzelne Momentaufnahmen regisitrieren können, niemals Bewegung als solche. Diese wird vom Gehirn konstruiert, wenn ausreichend plausible Anhaltspunkte hierfür vorliegen. Das Verschmelzen von mehreren Standbildern zu einer Bewegung aufgrund der Trägheit unserer Augen und der kompensatorischen Konstruktionsleistung unseres Gehirns hat Wertheimer (1912) erstmals als "Phi-Effekt" beschrieben.

Das Beispiel 2 Bälle langsam zeigt zwei ortsfeste Punkte, die abwechselnd aufscheinen. Doch was wir sehen, ist die Bewegung eines Balls. Denn dieser Fall ist für unsere Alltagswahrnehmung der üblichere. Wenn die Frequenz erhöht oder erniedrigt wird, in der die Punkte aufscheinen, verliert sich der Bewegungseffekt, weil die Plausibilität der Bewegungsannahme für unser Gehirn weniger gegeben ist (2 Bälle schnell).

Die Bewegungsillusion funktioniert hingegen auch dann noch, wenn die Bälle verschiedene Farben haben. Der eigentlich unwahrscheinliche Fall, dass der Ball mitten im Flug seine Farbe wechselt, sorgt nicht für eine Destruktion der Bewegungswahrnehmung. Das liegt daran, dass eine Bewegungswahrnehmung stets wichtiger für uns ist als Farbe und Form.

Und noch ein Besonderheit kann man dem Beispiel entnehmen: Unser visuelles System löst den Konflikt der verschiedenen Farben, indem es den Farbwechsel auf halber Strecke ansiedelt. Das aber bedeutet, dass wir den Ball sich zu rot hin ändern sehen, bevor der rote Pol erreicht ist. Das kann nur duch einen Trick unseres Gehirns funktionieren: die Umdatierung des zeitlichen Ablaufs, was wiederum nur dann gelingen kann, wenn wir gar nicht wirklich sehen, was wir vor Augen haben, sondern den größten Teil davon lediglich imaginieren.

Der Link Experimentierfeld führt zu einer Anwendung, mit der sie verschiedenste Parameter des Ballbeispiels variieren können.