11.1.3

Narrative Verzweigung

 

In allen erdichteten Werken entscheidet sich ein Mensch angesichts verschiedener Möglichkeiten für eine und scheidet die anderen aus; im Werk des schier unentwirrbaren Ts'ui Pen entscheidet er sich - gleichzeitig - für alle. Er erschafft so verschiedene Zukünfte, verschiedene Zeiten, die ebenfalls auswuchern und sich verzweigen. Daher die Widersprüche im Roman. Fang (sagen wir) hütet ein Geheimnis; ein Unbekannter klopft an seine Türe; Fang beschließt, ihn zu töten. Natürlich gibt es verschiedene mögliche Lösungen. Fang kann den Eindringling töten, der Eindringling kann Fang töten; beide können davonkommen, beide können sterben usw. Im Werk von Ts'ui Pen kommen sämtliche Lösungen vor; jede einzelne ist der Ausgangspunkt weiterer Verzweigungen. Manchmal streben die Pfade dieses Labyrinths aufeinander zu; etwa so: Sie kommen in dieses Haus, aber in einer der möglichen Vergangangenheiten sind Sie mein Feind gewesen, in einer anderen mein Freund ...

(Borges 1949, S. 163 f.)