9.6

Typographie und Reformation

Die Entstehung einer literalen Öffentlichkeit wurde zunächst dadurch begünstigt, dass die Reformation Martin Luthers das Schriftprinzip zum zentralen Grundsatz erhob:

"So das Euangelion und allerley kunst soll bleyben, mus es yhe ynn buecher und schrifft verfasset und angebunden seyn." (nach Stein 2006, S. 192).

Abb. links: Erstdruck von Luthers Bibelübersetzung aus dem Jahr 1522. Die Auflage von 3000 Exemplaren war in kürzester Zeit ausverkauft.

Die Abb. rechts zeigt eine der vielen weiteren Ausgaben, gedruckt in Wittenberg 1555. Rechts kniend ist Luther abgebildet, links der Kurfürst von Sachsen.

Quellen: Lippische Landesbibliothek Detmold

Neben der Bibelübersetzung, die bis 1569 rund 800.000 mal verkauft wurde, verfasste Luther weitere 32 Schriften, sogenannte "Flugschriften", die dank der neuen Technologie weite Verbreitung fanden. Bis 1546 erreichte die Gesamtauflage Luthers 3,1 Millionen, was einem Viertel der Jahresproduktion an deutschen Druckschriften entsprach. Insgesamt stieg der Anteil der volkssprachlichen Schriften gegenüber den lateinischen auf über 40%. So wurde die Reformation einerseits durch die Drucktechnik begünstigt, andererseits begünstigte sie ihrerseits die Drucktechnik, da ihre Propagierung des Schriftprinzips die Nachfrage erhöhte. Insofern ist auch für diese Epoche der Schriftgeschichte der Intertextualitätstyp der Hypolepse charakteristisch (vgl. 7.4.4.1).