5.4

Zeichen ohne Schriftfunktion: Mas d'Azil

 

Quelle: Földes-Papp (1966), S. 29, 31, 36 f.

Die Kiesel von Mas d'Azil (Südfrankreich) aus der Mittelsteinzeit ähneln bisweilen verblüffend unseren Alphabetbuchstaben. Doch die äußere Form von Zeichen ist keineswegs ein zuverlässiges Schriftmerkmal. Zur Schrift werden Zeichen erst dann, wenn sie sich nach einer festgelegten Systematik wiederholen. Dies ist bei den bemalten Kieseln von Mas d'Azil nicht der Fall; es handelt sich fast ausschließlich um Unikate. Außerdem ist die Ähnlichkeit mit unseren Buchstaben, die sich erst sehr viel später in einer langen Metamorphose von der nordsemitischen über die phönizische, griechische und etruskische zur lateinischen Schrift herausbilden, natürlich reiner Zufall.

Auch der hohe Abstraktionsgrad von Zeichen sagt nicht unbedingt etwas über den Stand der Schriftentwicklung aus. So bleibt z.B. der Bildcharakter der ägyptischen Hieroglyphen lange erhalten (ganz zu schweigen von den chinesischen Schriftzeichen, die ihn bis heute erhalten haben), während das älteste aller Schriftsysteme offenbar von vornherein mit abstrakten Zeichen operierte ...