Begrüßung

6.9.2012
        

Liebe Studierende des 4. BA.-Jahrgangs Germanistik an der Guangwai,

mit dieser Vorlesung möchte ich Sie ein wenig in das Gebiet der Medienästhetik einführen – und zwar an einem Beispiel, das für Germanisten grundlegend ist: dem Medium der Schrift.

Der Begriff "Medienästhetik" ist zusammengesetzt aus dem lateinischen Wort "medium" (= das Mittlere, Vermittelnde) und dem griechischen Wort "aísthesis" (=Wahrnehmung, Empfindung). Untersuchungsgegenstand der Medienästhetik ist also dem Wortsinn nach, was die menschliche Wahrnehmung vermittelt (vgl. www.medienaesthetik.uni-siegen.de/medienaesthetik/).

Die Schrift scheint mir ein gutes Beispiel zu sein, Sie in die Medienästhetik einzuführen, weil sie in China und im Westen sehr unterschiedliche Sinnesmodalitäten anspricht. Wie Sie wissen, beruht die chinesische Schrift stärker auf dem Medium des Bildes; sie ist "logographisch" (von griechisch "logos" = Wort und "graphein" = zeichnen, malen). Die Alphabet-Schrift beruht mehr auf dem Medium des Klangs; sie ist "phonographisch". Es leuchtet unmittelbar ein, dass die jahrtausendelange Gewohnheit, Schrift in der einen oder der anderen Weise zu gebrauchen, einen Einfluss auf die Menschen und ihre Kulturen hat.

Allerdings sind ALLE Schriften, auch die Alphabet-Schrift, urspünglich aus Bildzeichen hervorgegangen, haben sich aber im abendländischen Kulturkreis dann allmählich in phonetische Zeichen verwandelt. Dies werde ich Ihnen am Beispiel der ägyptischen Schrift verdeutlichen.

Ich möchte Ihnen auch den ersten Medienkritiker des Abendlandes vorstellen: den Philosophen Platon (ca. 428–348 BC). Er verglich das bisherige Leitmedium seiner Zeit, das mündliche Gespräch, mit dem damals neuen Medium der Schrift. Seine Kritik der Schrift ist so grundlegend, dass sie auch und gerade in der heutigen Zeit, wo wir den Wechsel vom Leitmedium der Buchschrift zur elektronischen Multimedialität erleben, vielfach aufgegriffen wird.

Die Textstelle ist nicht ganz einfach. Vielleicht möchten Sie deshalb schon einmal versuchen, sie zu lesen. Bitte gehen Sie dazu links oben auf den Pfeil, der nach rechts zeigt. Wenn wir uns am Donnerstag sehen, können wir darüber sprechen.

Mit einem schönen Gruß,
Peter Matussek